Startseite Publikation DKS – Die Kaufm. Schule Ausgabe 01/23 „Blended Learning“-Modelle als Entwicklungsaufgabe
Die Berufskollegs stehen in Zeiten des Strukturwandels in Verbindung mit der demografischen Entwicklung, den sich verändernden Anforderungen der Arbeitswelt sowie den gesellschaftlichen Veränderungen vor großen Herausforderungen. Sie übernehmen die Rolle des Entwicklungskatalysators bei der Integration in das Arbeitsleben und der Qualifizierung der Schülerinnen und Schüler für das Arbeitsleben.
Viele Berufskollegs haben sich auf den Weg gemacht und entwickeln stetig kreative und innovative Bildungsangebote, um ihre Schülerinnen und Schüler passgenau auf die Arbeitswelt 4.0 vorzubereiten. Dazu gehört die Vermittlung digitaler Schlüsselkompetenzen wie der sichere Umgang mit Videokonferenzsystemen und die Nutzung kollaborativer Arbeitsformen, die unbedingt durch Blended-Learning-Formate gefördert werden müssen. Hierfür sind Veränderungen der Rahmenbedingungen in Bezug auf Unterrichtsmodelle im Format „Blended Learning“ notwendig.
Als Rechtsgrundlage ist die Distanzunterrichtsverordnung1 des MSB (November 2022) nicht ausreichend, da sie nur als Ersatz für Präsenzunterricht vorgesehen ist. Das 16. Schulrechtsänderungsgesetz schafft dagegen die Möglichkeit im Rahmen von Schulversuchen, neue Organisationsformen von Unterricht genehmigen zu lassen.
Das bedeutet zunächst für die Schulen, die Möglichkeit und die Ausgestaltung des Distanzunterrichts/Blended Learnings konzeptionell im Schulprogramm zu verankern. Auch die Nutzung der vom Schulträger bereitgestellten Lehr- und Lernsysteme sowie Arbeits- und Kommunikationsplattformen in digitaler Form muss durch die Schulkonferenz verpflichtend für alle Lehrkräfte und Schüler/-innen beschlossen werden.
Im Rahmen der Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb der vom MSB genehmigten Schulversuche der Regionalen Bildungszentren der Berufskollegs (RBZB)2 wurden „Blended Learning“- bzw. „Distance Learning“-Modelle in der Fachschule und in ausgewählten dualen Bildungsgängen entwickelt.
Gründe dafür sind in der Berufsschule u. a.
Seit zwei Jahren werden im RBZ Düsseldorf verschiedene Konzepte in den Klassen des dualen Systems (Anlage A) sowie den verschiedenen Fachschulen (Anlage E) zum Distanzlernen bzw. Blended Learning entwickelt.
Bei den kaufmännischen Schulen sind alle vier kaufmännischen Berufskollegs mit unterschiedlichen Bildungsgängen beteiligt, so z. B. das Berufskolleg Bachstraße mit den Buchhändler(inne)n und der Fachschule für Handelsmanagement, das Leo-Statz-Berufskolleg mit den Bankkaufleuten und der Fachschule für Finanzwirtschaft, das Walter-Eucken-Berufskolleg mit den Bildungsgängen Kaufleute für Groß- und Außenhandelsmanagement, Kaufleute für Marketingkommunikation, Medienkaufmann/-frau, Kaufleute für Speditions- und Logistikdienstleistungen sowie der Fachschule für Logistik und das Max-Weber-Berufskolleg mit den Patentanwaltsfachangestellten, Kaufleuten für Büromanagement, Industriekaufleuten und der Fachschule für Rechnungswesen.
Exemplarisch sei hier das Vorgehen bei den Patentanwaltsfachangestellten und der Fachschule für Rechnungswesen sowie den Industriekaufleuten dargestellt.
Die Patentanwaltsfachangestellten werden als Teilzeitberufsschulklasse an zwei Tagen die Woche beschult. Als Landesfachklasse haben die Auszubildenden sehr lange Anfahrtswege. Daher wird seit 2008 ein Tag pro Woche als Distanzlerntag unterrichtet. In der Schule gibt es zwei vom Schulträger eingerichtete Räume, die für dieses „Teleteaching“ mit einer stabilen Internetleitung, einem Fest-PC mit Mikrofon sowie Lautsprechern ausgestattet sind. Die Räume werden während der Teleteaching-Tage ausschließlich dafür genutzt. Der Unterricht wird über die Konferenzsoftware Cornerstone (früher: SABA) erteilt. Die Schülerinnen und Schüler verfügen über die entsprechende Hardware und befinden sich nach individueller Absprache mit den Ausbildern an den Teleteaching-Tagen entweder in den Kanzleien oder zu Hause. Die Software wird von den Patentanwaltskanzleien finanziert.
Im Teleteaching wird rollierend (fast) jedes Fach unterrichtet. Datenverarbeitung lässt sich nicht per Teleteaching unterrichten, weil den Auszubildenden die nötigen Lizenzen für das Office-Paket fehlen. Durch das rollierende System sieht der jeweilige Fachlehrer die Auszubildenden mindestens alle vierzehn Tag auch in Präsenz. Klassenarbeiten werden in Präsenz geschrieben. Das Unterrichtsmaterial wird über Logineo NRW LMS zur Verfügung gestellt.
Bei den regelmäßigen Evaluationen zeigt sich, dass die Schülerinnen und Schüler mit der Unterrichtsorganisation durchaus zufrieden sind, weil sie ihnen weite Anfahrtswege erspart.
Allerdings führen technische oder Bedienerprobleme auch zu Unterrichtsausfall. Versuche, den Messenger von Logineo für den Unterricht zu nutzen, sind an Verwaltungs- und technischen Problemen gescheitert.
In der Fachschule für Rechnungswesen wird ebenfalls ein vergleichbares rollierendes System eingesetzt. Jeden Donnerstag bleiben die Schülerinnen und Schüler zu Hause und erhalten über das Videokonferenzsystem des Messengers synchronen Online-Unterricht. Leider führt auch hier der Einsatz des Messengers zu häufigen „Abstürzen“.
Bei den Industriekaufleuten wird dagegen überwiegend asynchron vorgegangen: Seit 2 Jahren wird im Lernfeld 12 der Unterrichtsinhalt „Projektmanagement“ im „Blended Learning“ unterrichtet. Dafür erhalten die Auszubildenden zu Beginn der Blockphase Zugriff auf das im LMS gesicherte Lernmaterial, das sie sich im Sinne eines Flipped Classrooms bis zu einem vorher vereinbarten Termin selbstständig aneignen. Das Material besteht aus Erklärvideos, Informationsmaterial und Übungsmaterial. In Präsenz, aber am Laptop, wird anschließend das erworbene Fachwissen in Form eines Online-Tests überprüft, der in den Beurteilungsbereich „Sonstige Leistungen“ eingeht.
Die Evaluationen im RBZB Düsseldorf haben verdeutlicht – und wie schon mehrfach vom vLw gefordert –, dass die Berufskollegs eine passgenaue Digitalisierungsstrategie für ihr innovatives Bildungsangebot benötigen.
Um die Bedürfnisse beruflicher Bildung abdecken zu können, sind – wie in der Vergangenheit – Sonderregelungen notwendig, denn
Daher muss das Lernen im digitalen Wandel die übergreifende Querschnittsaufgabe sein, wie es auch in den Curricula für die Entwicklung der didaktischen Jahresplanungen vorgegeben ist.
Neben der Förderung des gesellschaftlichen Verantwortungsbewusstseins und des Denkens in Zusammenhängen umfasst Lernen im digitalen Wandel die Vermittlung von
Berufskollegs sind aufgrund ihrer Beruflichkeit besonders gefordert, diesen Prozess abzubilden, zu fördern und zu begleiten. So ist die Digitalisierung auch Teil des Handlungsfeldes 1 der Agenda zur Stärkung der beruflichen Bildung.
Daraus ergeben sich für die Berufskollegs zwingende pädagogische Erfordernisse. Diese sind vorrangig
Daraus ergeben sich in der Folge zwingende Erfordernisse an die Infrastruktur:
Nur so kann eine gezielte Vorbereitung und Qualifizierung der Auszubildenden auf den Berufsalltag 4.0 chancengerecht erfolgen.
1 Siehe § 2 Abs. 2 Distanzunterrichts VO.
2 Siehe dazu auch Handlungsfeld 5 der Agenda zur Stärkung der beruflichen Bildung.
Rubrikbild: © Dagmar Ammann
Beatrix Heithorst
Sabine von Zedlitz
für den Ausschuss Schul- und Bildungspolitik
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