ChatGPT – Revolution im Klassenzimmer?

ChatGPT – kaum ein Thema beherrscht die Medien im All­gemeinen und die sozialen Medien im Lehrerzimmer auf Twitter, Instagram und Tik Tok. Revolutioniert ChatGPT den Unterricht? Oder wird das AI-Tool völlig überschätzt?

Haben Sie ChatGPT schon ausprobiert? Gehen Sie davon aus, dass Ihre Schülerinnen und Schüler es bereits intensiv nutzen. Und diejenigen, die es ausprobiert haben: Sind Sie überwältigt und begeistert von den Ergebnissen oder vielleicht nur erschrocken?

ChatGPT ist seit dem 30. November 2022 für die Öffentlichkeit zugänglich. Innerhalb von fünf Tagen haben sich eine Million Nutzer registriert. Und bereits zwei Monate später bezieht das Bildungsministerium Stellung zu ChatGPT und kündigt eine Kurzinformation mit Handlungsanweisungen für Schulen an.

ChatGPT basiert auf künstlicher Intelligenz und ist das derzeit wohl leistungsfähigste Sprachmodell der künst­lichen Intelligenz. Es wird von der US-Firma OpenAI ent­wickelt. Zu den Geldgebern gehören u. a. Elon Musk, der sich 2018 aus der Leitung zurückgezogen hat, und Microsoft, die 2019 eine Milliarde Dollar investiert haben und weitere Milliarden investieren werden.

ChatGPT ist nur eine von vielen künstlichen Intelligenzen (KI), steht aber aufgrund ihrer aktuellen Bedeutung im Mittelpunkt der Ausführungen. KI ist längst Teil unseres Alltags geworden. Suchmaschinen liefern Ergebnisse, die auf unserem Online-Verhalten basieren, Navigationssysteme helfen uns, Staus zu umfahren, und beim Tippen auf dem Handy macht die Tastatur Vorschläge für das nächste Wort.

Worum geht es bei ChatGPT?

„ChatGPT ist ein KI-basiertes Natursprachenverarbeitungssystem (Natural Language Processing, NLP), das von OpenAI entwickelt wurde. Es nutzt maschinelles Lernen, um auf Texteingaben zu antworten, und kann so in einer Vielzahl von Anwendungen eingesetzt werden, wie z. B. im Kundenservice, im Chatbot-Bereich oder in Bildungseinrichtungen.

ChatGPT wurde auf einer enormen Menge an Texten trainiert. Es kann auf Anfragen in Echtzeit reagieren und bietet personalisierte Antworten an, die auf den Kontext und die Bedürfnisse des Nutzers abgestimmt sind.“

Einfacher ausgedrückt: „ChatGPT ist ein computergestützter Service, der es ermöglicht, Texteingaben mit menschen­ähnlichen Antworten zu beantworten. Kurz gesagt, es ist ein Computerprogramm, das menschenähnliche Kommunikation ermöglicht.“

Das sind zwei Antworten von ChatGPT auf die Frage, was ChatGPT ist. Die zweite wurde nachgeliefert,  als im Dialog um eine einfachere Antwort gebeten wurde. Während eine herkömmliche Anfrage bei einer Suchmaschine mehr als 32 Mio. Suchergebnisse liefert, formuliert ChatGPT je nach Frage eine mehr oder weniger umfangreiche Antwort, die anschließend noch an verschiedene Niveaustufen angepasst, zusammengefasst und in andere Sprachen übersetzt werden kann.

Der chatbasierte Dialog verändert die Suche grundlegend. Bei der herkömmlichen Internetrecherche gewinnt der Nutzer sein Wissen aus dem Abgleich mehrerer Quellen.  Die neuen dialogbasierten Sprachassistenzsysteme sind deutlich leistungsfähiger und bieten letztlich eine Zusammenfassung über verschiedene Webseiten hinweg, ohne jedoch die Quellen benennen zu können.

Chatbots basieren auf einem anderen Prinzip als Such­maschinen. Ein Sprachmodell wie GPT wird mit sehr vielen Textinhalten aus Zeitungsartikeln, Büchern, Online-Foren und sozialen Medien trainiert, die im Internet verfügbar sind – die gesamte Wikipedia macht nur 3 % der Texte aus. Das System „vergisst“ beim Lernen seine Quellen und gibt eine Zusammenfassung, ohne die Quellen benennen zu können.

Zur Anmeldung

Um ChatGPT nutzen zu können, muss man sich unter https://chat.openai.com mit einer E-Mail-Adresse, einem Passwort und neuerdings auch einer Handynummer regis­trieren. Alternativ kann man sich auch mit einem Google- oder Microsoft-Konto anmelden. Laut OpenAI muss man mindestens 13 Jahre alt sein, um den GPT-Service nutzen zu können. Für jüngere Schülerinnen und Schüler dürfte die Altersbeschränkung jedoch kein ernsthaftes Hindernis darstellen. Auch andere KI-Dienste erfordern in der Regel eine Registrierung.

ChatGPT in Lehrerhand

Aus der Sicht der Lehrerin, des Lehrers können KI und insbesondere ChatGPT sie auf vielfältige Weise unterstützen. 

Die folgende Liste ist nicht erschöpfend:

  • Planung von Unterrichtsreihen und Einzelstunden bis hin zu detaillierten Unterrichtsentwürfen
  • Informationstexte erstellen und nach Umfang und Sprachniveau differenzieren
  • Texte für den Fremdsprachenunterricht übersetzen
  • längere Texte zusammenfassen und kürzen
  • Impulse, Fragen, Beispiele oder Ideen zu einem Thema formulieren
  • Formulierungen und Grammatik überprüfen und verständlicher machen
  • situationsgerechte Rollenspiele entwickeln
  • Programmcode in verschiedenen Programmiersprachen entwickeln und kommentieren
  • Multiple-Choice-Aufgaben oder Lückentexte erstellen
  • Aufgaben für Klassenarbeiten inkl. Antworten erstellen
  • offene, komplexe Handlungssituationen schaffen, für die Schüler:innen Lösungsansätze entwickeln
  • Arbeiten von Schüler:innen bewerten lassen

ChatGPT unterstützt Lehrer:innen zudem auch bei Verwaltungsaufgaben wie dem Verfassen von Einladungen oder Elternbriefen. Briefe können freundlich oder eher streng mit klaren Konsequenzen formuliert werden.

Hinweise zur Nutzung

Bei der Nutzung von ChatGPT beeinflusst die Qualität der Eingabe die Qualität des Ergebnisses. Wenn die Frage nicht klar, prägnant und spezifisch ist, werden Sie nicht das gewünschte Ergebnis erhalten. Diejenigen, die es verstehen, die richtigen Fragen zu stellen, werden mit ChatGPT außergewöhnliche Ergebnisse erzielen! 

Tom Berrett (vgl. https://edte.ch/blog/?v=3a1ed7090bfa)  hat für qualitativ hochwertige Prompts – so werden im Englischen Anfragen genannt – folgende Kriterien benannt:

  1. Klarheit
    Definieren Sie die Aufgabe oder Absicht des Prompts klar, einschließlich spezifischer Informationen über den Output.
  2. Relevante Informationen
    Geben Sie relevante Details an, einschließlich spezifischer Schlüsselwörter und Fakten, den Ton, die Zielgruppe, das Format und die Struktur.
  3. Beispiele
    Verwenden Sie Beispiele in der Aufforderung, um den Kontext und die Richtung für den Output anzugeben.
  4. Vermeiden Sie Mehrdeutigkeit. Konzentrieren Sie sich auf die wichtigsten Informationen und streichen Sie unnötige Details in der Aufforderung.
  5. Testen und verfeinern Sie den Prompt in mehreren Durchläufen. Probieren Sie verschiedene Eingabeversionen aus, um die besten Ergebnisse zu ermitteln.
  6. Bewerten Sie den Output kontinuierlich und passen Sie den Prompt bei Bedarf an, um die Qualität zu verbessern.

Die ersten vier Kriterien sind alle Teil des Schreibens von Prompts, und die letzten beiden stellen einen Zyklus der Überprüfung und Bearbeitung Ihrer Prompts dar.

Risiken von ChatGPT

ChatGPT formuliert hervorragend plausible Sätze und bedient sich quasi bei allem, was Menschen jemals in digitalisierten Daten nachvollziehbar zu einem Thema formuliert haben. Aufgrund der Funktionsweise des Chatbots muss allerdings davor gewarnt werden, von ChatGPT generierte Texte ungeprüft zu übernehmen. ChatGPT kann die Richtigkeit der bereitgestellten Informationen nicht überprüfen. 

Darüber hinaus ist ChatGPT in seinen Ergebnissen durch die Daten begrenzt, mit denen es trainiert wurde. Der aktuelle Wissensstand reicht bis September 2021. 

Der Chatbot ist so programmiert, dass seine Antworten möglichst gut klingen. Dadurch wirken die Aussagen oft glaubwürdiger als die Ergebnisse einer Suchmaschine. Die KI generiert Texte, die so gut formuliert sind, dass Nutzer nur schwer erkennen können, dass es sich um Fake News handelt. Der Nutzer hat keine Möglichkeit, die Quellen der Antworten zu überprüfen.

Und schließlich zeigt sich ein grundsätzliches Problem: KI erzeugt eine Simulation von wahrheitsbezogener Kommunikation, sie hat aber keinen Bezug zu Wahrheit und sozialer Realität, wie sie menschlicher Kommunikation zugrunde liegt. Und umso wichtiger wird die Kompetenz, zu wissen, wann man einem Programm vertrauen kann und wann nicht.

Ausblick

Der Geist des Chatbots ist aus der Flasche. KI lässt sich nicht ignorieren und nicht verbieten. Laut Rheinischer Post vom 31.01.2023  plant das Bildungsministerium kein generelles Verbot zur Nutzung von KI-Anwendungen, da dies der zunehmenden Relevanz solcher Anwendungen mit Blick auf den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schulen zuwiderlaufen würde.

Wichtiger erscheint im schulischen Kontext eine Auseinandersetzung mit den Chancen und Risiken von KI. Schule soll Schülerinnen und Schüler fit für die Welt machen – und Programme mit KI sind Teil dieser Welt. 

Die Frage lautet: Welche Kompetenzen brauchen die Lernenden, um künstliche Intelligenz sinnvoll zu nutzen? Wichtig sind klare Regeln und ein sinnvoller, gezielter Umgang mit KI, z. B. im Flipped Classroom. Problematisch wird der Einsatz von KI, wenn die Lernenden gerade diejenigen Kompetenzen erwerben sollen, die von der KI auf Knopfdruck erledigt werden können. KI soll den Lernprozess unterstützen, ihn aber nicht den Lernenden  abnehmen. Schülerinnen und Schüler müssen davon überzeugt werden, dass es sinnvoll ist, sich der Mühe zu unterziehen, Kompetenzen selber zu entwickeln.

KI bietet die Chance, neue Prüfungsmethoden in der Schule auszuprobieren. Weniger reines Abfragen von Wissen, mehr kritische Reflexion und Interpretation, mehr Transfer des

Gelernten auf andere Aufgaben – ohne oder mit Einsatz von KI. Problematisch werden zukünftig Hausarbeiten und Facharbeiten; Unterrichtsgespräche und mündliche Leistungsüberprüfung werden dort mehr in den Fokus rücken.

Trotz aller Kritik sind die Ergebnisse der KI beeindruckend. Man darf nicht vergessen, dass wir erst am Anfang der Entwicklung stehen. Auf der Softwareseite werden kommende Versionen die Leistung der KI weiter steigern.  Microsoft wird ChatGPT wahrscheinlich in seine Suchmaschine und seine Office-Anwendungen integrieren. Man darf gespannt sein, wie Google auf die Herausforderung ChatGPT reagieren wird. Aber auch in der Schule stehen wir erst am Anfang. KI wird den Unterricht und den Lehreralltag verändern und alle Beteiligten sind Lernende in diesem Veränderungsprozess.

Anmerkung: 

Zu diesem Thema bietet der Autor eine Online-Fortbildung an. Neben den Grundlagen zu ChatGPT erproben die Teilnehmer:innen in diesem Angebot hilfreiche KI-Werkzeuge und Browsererweiterungen.

Wolfgang Schwarz

Ortsverband Neuss

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