Corona-Pandemie – ein Blick zurück und nach vorne: Was brauchen Berufskollegs in 2020/2021?

Die letzten Wochen seit dem 16. März 2020 haben erneut gezeigt, dass die Lehrerinnen und Lehrer in den Berufskollegs auch unter widrigen Umständen ihren Auftrag engagiert erfüllen.

Ein Rückblick auf sieben Wochen „Lock-Down“

Dank deren enormen Engagements wurden die bestehenden digitalen Infrastrukturen an den Berufskollegs, oft auch mit privaten Mitteln, in Rekordzeit weiter ausgebaut, um den Kontakt mit den Schülerinnen und Schülern sowie den Ausbildungsbetrieben weiter zu halten.

Die Nutzung von Lernplattformen, wie beispielweise moodle, im Regelunterricht ist und war an vielen Berufskollegs schon gängige Praxis, ebenso wie das Lernen mit anderen digitalen Medien wie Lernapps und Tablets.

Dennoch bildete die flächendeckende Nutzung der Lernplattformen und andere digitaler Medien auch für viele Lehrkräfte in den Berufskollegs eine weitere Herausforderung, die durch Eigeninitiative und kollegiale Online-Fortbildungen häufig vor Ort gemeistert wurde.

Dazu zählen neben der Bereitstellung von Materialien und interaktiven Elementen (Foren, Chats, digitales Einsammeln von Aufgabenbearbeitungen usw.) auch vielfältige Videokonferenzen in schulischen Leitungsgremien und schulinternen Online-Seminaren.

Trotz der weitreichenden Erfahrungen mit Digitalisierung in der beruflichen Bildung wurden bei der Umstellung auf „distance-learning“ in den sieben Wochen die häufig noch verbesserungsbedürftige Infrastruktur in den Berufskollegs sowie die oft rudimentäre Technikausstattung und limitierten Online-Zugänge vieler Schülerinnen und Schüler als wichtige „Knack-Punkte“ erkennbar. So hängt der Erfolg des distance-learning bei den Schülerinnen und Schülern insbesondere in vollzeitschulischen Bildungsgängen zu oft von der Bildungsbiografie, dem wirtschaftlichen und sozialen Umfeld ab.

Ausblick auf schrittweise Öffnung der Schulen

Die unerwartet frühe Teilöffnung der Schulen am 23.04.2020 hat besonders die Berufskollegs vor enorme Herausforderungen gestellt.

Von den 390.000 Prüflingen landesweit sollten die Berufskollegs alleine rund 230.000 Schülerinnen und Schüler in Abschlussklassen beschulen. Keine andere Schulform hatte den Auftrag zu diesem Zeitpunkt eine so große Schülerschaft zu beschulen.

Eine bessere Informationspolitik hätte den Schulstart nach den Osterferien deutlich vereinfachen können. Das Interpretieren von Priorisierungen und das Nachschieben von Informationen zu Risikogruppen und Hygienevorgaben hat das Zeitfenster für die Planung des Unterrichtsstartes unzumutbar verkürzt.

vLw und vlbs fordern für die weiteren Schritte zur Öffnung der Schulen ein besseres Informationsmanagement – konkrete Informationen in der FAQ Liste des Schulministeriums sind wichtige Schritte. Schulen und Schulträger benötigen Zeit für eine verlässliche Planung und Beschaffung von Materialien zum Schutz der Menschen. Die jetzt festgelegten Hygienestandards bedürfen einer wissenschaftlichen Begleitung und sofortiger Korrektur, wenn die festgelegten Maßnahmen nicht ausreichen sollten.

Zwischen Dienstherrn und Schulträger darf es zukünftig nicht mehr interpretationsbedürftige Hygienestandards geben. Diese bedürfen einer gründlichen Analyse und einer landesweit einheitlichen Handhabung:

  mindestens arbeitstägliche Reinigung der Unterrichtsräume insbesondere von Kontaktflächen wie beispielsweise Türklinken und Computertastaturen und anderer Schulräume,

   Ausstattung und Versorgung der Berufskollegs mit Desinfektionsmitteln,

Ausstattung und Verteilung von Schutzartikeln, wie z. B. Mundmasken, sowie

Art und Umfang der Schülerbeförderung nach Infektionsschutzgesetz…

Die Wochen bis zum Schuljahresende werden auch von den Lehrkräften an den Berufskollegs einen weiteren Kraftakt verlangen.

Neben den schulischen Abschlussprüfungen bilden die zahlreichen Kammerprüfungen in diesem Schuljahr eine weitere Herausforderung.

vLw und vlbs ist bewusst, dass es sich hier vielfach um bundesweit einheitliche Prüfungstermine handelt, die nicht auf die Ferientermine aller Bundesländer Rücksicht nehmen können.

Aber auch hier ist Augenmaß gefordert, so wie es in der 12. Dienstmail des Schulministeriums angesprochen wird.

vLw und vlbs sind überzeugt, dass die Schulleitungen der Berufskollegs vor Ort für ausreichende Entlastungen der eingesetzten Kolleginnen und Kollegen sorgen werden, so dass sie ihre ehrenamtliche Prüfertätigkeit erfüllen können.

Nur so können auch die Prüflinge in den dualen Fachklassen ihre Berufsausbildung im Sommer so beenden, dass sie ihre Bildungsbiografie als Fachkraft oder im Studium anschließend nahtlos fortsetzen können.

Künftige Herausforderungen erfordern im Herbst Unterstützung für die Berufskollegs

Je nach Wirtschaftszweig wird es über den Sommer einige Zeit hinaus brauchen, bis Unternehmen, Verwaltungen und andere Institutionen ihren Regelbetrieb wieder aufgenommen haben.

Dies kann einerseits bedeuten, dass Schülerinnen und Schüler ihren Ausbildungsplatz nicht am 1. August oder 1. September 2020 antreten können oder einen Arbeitsvertrag nach ihrer erfolgreichen Berufsabschlussprüfung im Spätsommer abschließen können.

Für diese Jugendlichen und jungen Erwachsenen können und werden die Berufskollegs Alternativen bieten. Dies können vollzeitschulische Bildungsgänge oder vollzeitschulische Weiterbildungsmöglichkeiten in den Fachschulen sein.

Sicherlich führt der frühe Stichtag der Hauptstatistik am 9.09.2020 auch dazu, dass es aufgrund dieser Unsicherheiten in den rund 250 öffentlichen Berufskollegs keine validen Schüler- und Klassenzahlen geben wird.

vLw und vlbs fordern deswegen, dass

        Zügigkeiten für vollzeitschulische Bildungsgänge kurzfristig und unbürokratisch erhöht werden können,

        Fachschulbildungsgänge kurzfristig und unbürokratisch für ein Schuljahr in Vollzeit beschult werden können ,

        die Praxisphasen in der FOS11 unbürokratisch (ggfs. auf die FOS 12.1) flexibilisiert werden können,

        zum 01.11.2020 unbürokratisch Planstellen zugeteilt werden, so dass alle Referendarinnen und Referendare mit ihrem 2. Staatsexamen in den Berufskollegs eingestellt werden können,

        bei Bedarf zusätzliche Personalressourcen bereitgestellt werden, um in diesem Halbjahr ausgefallene Unterrichtsblöcke in den Berufsschulen im kommenden Schuljahr auszugleichen,

        zusätzliche Planstellen für Medienassistenz den Berufskollegs zur Verfügung zu stellen, um die Lehrkräfte noch besser beim Lernen mit digitalen Medien zu unterstützen und

        der Termin der Hauptstatistik für die Berufskollegs auf Dezember 2020 verschoben werden wird.

Andererseits müssen auch die Berufskollegs rechtzeitig planen, d. h. Personaleinsatz- und Stundenpläne werden vielfach rund zwei Monate vor den Sommerferien vorbereitet, damit sie rechtzeitig vor den Sommerferien für Schüler, eltern und vor allem Ausbildungsbetriebe vorliegen.

Hier muss der Dienstherr rechtzeitig Rahmenbedingungen setzen, unter denen die Berufskollegs auch im Schuljahr 2020/2021 die Beschulung sicherstellen können.

vLw und vlbs sind überzeugt, mit dieser Unterstützung wer­den die Berufskollegs die nächsten Wochen und Monaten ihren Bildungsauftrag verantwortungsbewusst erfüllen und die gewonnenen Erkenntnisse – nicht nur beim „distance-learning“ – künftig weiter nutzen,

Michael Suermann (vlbs Vorsitzender) und
Hilmar von Zedlitz-Neukirch (
vLw Vorsitzender)

 

 

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