Digitalisierung der Arbeitswelt beginnt in der Berufsschule –

Mindeststandards plus Wettbewerb der Ideen unabdingbar

 

„Berufsbildung 4.0 wird die Berufsbildung sein, die künftig komplementär zur Wirtschaft 4.0 die Aus- und Weiter­bildung von Fachkräften sichert“, so das Bundesinstitut für Berufsbildung und deren Präsident Prof. Dr. Friedrich H. Esser. Die Landesregierung hat mit dem 16. Schulrechts­änderungsgesetz im Februar 2022 den rechtlichen Rahmen geschaffen, um losgelöst von einer pandemischen Ausnahmesituation in ausgewählten Bildungsgängen und Lern­feldern bzw. Fächern eine adäquate Verknüpfung von Lernen in Präsenz und auf Distanz zu ermöglichen.

Leitgedanken für eine Digitalstrategie

Hierzu hat der vLw schon mehrfach gefordert, dass sich eine Digitalstrategie in der beruf­lichen Bil-
dung u. a. an den folgenden Leitgedanken orientiert:

  • Die künftigen Fachkräfte müssen insbesondere in der Berufsschule zu einem sicheren und kritischen Umgang mit digitalen Medien im Arbeitsalltag der Wirtschaft 4.0. sowie zum kollabora­tiven Arbeiten mit professionellen Softwareprodukten befähigt werden.  
  • Der Unterricht im Berufskolleg muss das sich stetig wandelnde Lernverhalten und die jeweilige Lernausstattung seiner Schülerinnen und Schüler sowie die Erfordernisse von knapp 400 unterschiedlichen Ausbildungsberufen und vollzeitschulischen Bildungsgängen angemessen berücksichtigen.
  • Die Lehrerinnen und Lehrer der Berufskollegs benötigen eine umfassende Qualifizierung, eine geeignete Lehrumgebung sowie einen landesweiten Rechtsrahmen, z. B. beim Einsatz von digitalen Medien und bei der Arbeitszeit im digitalen Raum.

Diese Leitgedanken hat der vLw u. a. auf Delegiertentagen, landesweiten Arbeitstagungen und in anderen Verbandsgremien seit 2017 intensiv diskutiert und hinreichend konkretisiert.

Aus Sicht des vLw kann das Land angesichts der o. a. Vielfalt des Berufsbildungssystems nur Mindeststandards und rechtliche Rahmenbedingungen der Digitalstrategie für Berufskollegs zentral planen, vorgeben und immer wieder kritisch überprüfen. 

Darüber hinaus muss das Land die Digitale Fortbildungs­offensive über den Sommer 2023 hinaus fortsetzen und stärker für die berufliche Bidlung akzentuieren.

Der vLw begrüßt die Qualifizierungsmaßnahmen von Digitalisierungsbeauftragten an Schulen, um den pädagogisch-didaktischen Prozess der Schul- und Unterrichtsentwicklung in einer digitalen Welt zu unterstützen. Verbesserungsbedürftig ist hier die bisher vorgesehene eine Wochenstunde Entlastung.

Die konkrete (Aus-)Gestaltung muss – wie nicht nur in der Pandemie erfolgreich bewiesen – größtenteils in den knapp 400 Berufskollegs vor Ort erfolgen, um die branchen-, berufs,- und/oder regio­nalspezifischen Besonder­heiten angemessen zu berücksichtigen und so den künf­tigen Fachkräfte­bedarf zielorientiert zu sichern.

Erste Erfahrungen aus Schulversuchen

Dazu können sicherlich auch die ersten Erfahrungen aus dem nordrhein-westfälischen Schulversuch „Regionales Bildungszentrum der Berufskollegs (RBZB)“ einen wichtigen Beitrag leisten, bei denen unterschiedliche Unterrichtskombinationen von Präsenz- und Distanzlernen (oft i. S. von Blended-Learning-Formaten) in geeigneten Berufsschul- und Fachschulbildungsgängen entwickelt, umgesetzt und (zwischen-)evaluiert worden sind.

Dies wird im folgenden Beitrag anhand der Erfahrungen aus dem RBZB Düsseldorf detaillierter beschrieben.

8 Gelingensfaktoren für die Berufsschule

Um konkret jetzt die Voraussetzungen für Berufsbildung 4.0 in einem angemessenen Wechsel von Präsenz- und Distanzlernphasen zu schaffen, müssen Land, Schulträger und duale Partner folgende acht Gelingensfaktoren endlich umsetzen:

  • Zeitressourcen zur Entwicklung und Umsetzung exemplarischer Blended-Learning-Formate im Rahmen von Schulversuchen, sodass die Lehrkräfte konkrete Lernsituationen mit digitalen Schlüsselqualifikationen und Blended-Learning-Unterrichtsangeboten entwickeln, umsetzen, evaluieren und dann auf einer Lernplattform (z. B. von Qua-Lis) anderen Berufskollegs zur freien Nutzung bereitzustellen. Dies kann z. B. durch eine zusätzliche Anrechnungsstunde für jede engagierte Lehrkraft geschehen.  
  • Adäquate Grundausstattung der Auszubildenden, d. h., alle Auszubildenden müssen unabhängig von Regelungen in Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen ein ggf. durch neue Landesprogramme finanziertes Endgerät  erhalten, das den Anforderungen der Arbeitswelt 4.0 und des Berufskolleg 4.0 genügt.
  • Mindeststandards für die EDV-Infrastruktur aller Berufskollegs – die unabhängig von der Finanzkraft eines Schulträgers (z. B. zeitnahe Gigabit-Anbindung, WLAN) und der Unterstützungsstruktur (First-Level-Support etc.) sowie deren Umsetzung durch die Schul­träger Chancengerechtigkeit gewähren.
  • Bereitstellung von professionellen Lernmanagementsystemen und Nutzungsfreigabe unerläss­licher, kommerzieller Standard- und Branchensoftware, wie z. B. Office 365 (IHK nutzen sie künftig für Berufsabschlussprüfungen), MS Teams, Cisco Webex Meet durch Abschluss von Rahmenvereinbarungen.  
  • Neue digitale Einleger, Inhalte und Apps für den berufsbildenden Unterricht mit digitalen Medien, z. B. durch Vorarbeit von QuA-Lis und Kooperation mit Verlagen und anderen Anbietern, um Lehrkräfte besser zu unterstützen und Mehrfacharbeiten in den Berufs­kollegs zu vermeiden.
  • Praxistauglicherer Rechtsrahmen für alle Beteiligten (z. B. 1:1-Anrechnung der Distanzlernphasen auf die betriebliche Arbeitswoche, rechtssichere Gestaltungsfreiräume in der APO-BK, Anpassung des Lernmittel­gesetzes und praxistaugliche Rahmenvereinbarungen für den Einsatz von professionellen Lernmanagementsystemen, Branchensoftware, Apps, digitalen Prüfungsformaten und Endgeräten). 
  • Umfassender Arbeits- und Gesundheitsschutz für alle Beteiligten, d. h. Unfall- und Arbeitsschutz im Home­office, ergonomische Arbeitsplätze sowie gesundheitsverträgliche Erreichbarkeitsregeln. 
  • Intensivere Vermittlung von digitalen Schlüssel­qualifikationen in den drei Phasen der Lehrkräftebildung, z. B. durch eine engere Verzahnung von universitärer und Seminarausbildung mit der Fortbildung sowie eine Erwei­terung der berufskollegspezifischen Fortbildung mit zahlreichen Anbietern. 

Entsprechend der Devise „Vielfalt ist besser als Einfalt“ muss jetzt der Wettbewerb der Ideen in den 400 Berufskollegs gefördert werden und durch geeignete Rahmenbedingungen vom Land begleitet sowie unterstützt werden.

Diesen Prozess wird der vLw gerne in einem Masterplan Berufskollegs konkretisieren und dann mit vorantreiben.

Impressionen der vLw Landesarbeitstagung 2018 zur Digitalisierung

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Hilmar von Zedlitz-Neukirch

Landesvorsitzender

Beatrix Heithorst

Vorsitzende Ausschuss Schul- und Bildungspolitik

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