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Digitalstrategie muss für Vielfalt der Berufskollegs passen – Wettbewerb der Ideen plus Mindeststandards unabdingbar 

Am 31. März 2022 hat Schulministerin Yvonne Gebauer eine Zwischenbilanz der „Digitalstrategie Schule NRW“ bei einer landesweiten Veranstaltung in Düsseldorf gezogen.

Die im Herbst 2021 vorgestellte „Digitalstrategie Schule NRW“ umfasst folgende Handlungsfelder:

  • Handlungsfeld 1: Die pädagogischen und didaktischen Chancen der Digitalisierung in den Mittelpunkt stellen – Schulen und Unterricht weiterentwickeln
  • Handlungsfeld 2: Lehrkräfte unterstützen und qualifizieren
  • Handlungsfeld 3: Zugang zu digitalen Medien und digitaler Infrastruktur schaffen und sicherstellen

Hierzu stehen den Schulen in Nordrhein-Westfalen für den Zeitraum 2020 bis 2025 Mittel in Höhe von knapp 2 Milliarden Euro zur Verfügung.

MSB: Zwischenbilanz der Digitalstrategie

Mit Stand vom 28. Februar 2022 hatten die Schulträger allein aus dem DigitalPakt Schule des Bundes rund 94 Prozent (rund 894 Millionen Euro) der ihnen insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel beantragt.

Auch die Programme zur Ausstattung von Lehrkräften sowie von Schülerinnen und Schülern mit besonderem Bedarf sind mit rund 98,5 beziehungsweise 97,5 Prozent abgerufener Mittel nahezu vollständig erschöpft. Rund 370.000 Schülerinnen und Schüler werden davon profitieren.  

Insgesamt rund 60 Prozent der Schulen nutzen mindestens eine der Anwendungen der LOGINEO-NRW-Produktfamilie mit Funktionen wie dienstlicher E-Mail-Kommunikation, Cloud, Lernplattform und Messenger mit Videokonferenz­option.

Auch aus Sicht des vLw ist es unbestreitbar, dass – sicherlich auch durch den Druck der Pandemie – die Digitalisierung gerade in Nordrhein-Westfalen in den letzten beiden Jahren einen großen Schub erhalten hat.

Die Digitalstrategie Schule NRW ist gerade für die allgemeinbildenden Schulen ein wichtiger Schritt und greift vielfach die fünf Forderungskataloge des Positionspapiers der fünf dbb-Lehrerverbände unter der Prämisse „Pädagogik vor Technik“ auf, das der vLw mit den vier anderen dbb-Verbänden im Mai 2020 an den Ministerpräsidenten und die Schulministerin gerichtet hat.

Strategie für Berufskollegs breiter gestalten

Aber die „Digitalstrategie Schule NRW“ reicht für die Vielfalt und Heterogenität der knapp 400 öffentlichen und privaten Berufskollegs nicht aus.

Eine Digitalstrategie in der beruflichen Bildung muss sich aus Sicht des vLw u. a. an den folgenden Leitgedanken orientieren:

  • Die Schülerinnen und Schüler müssen im Berufskolleg zu einem sicheren und kritischen Umgang mit digitalen Medien im Arbeitsalltag sowie zum kollaborativen Arbeiten auch mit kommerziellen Softwareprodukten befähigt werden.
  • Der Unterricht im Berufskolleg muss das sich stetig wandelnde Lernverhalten und die jeweilige Lernausstattung seiner Schülerinnen und Schüler sowie die Erfordernisse von knapp 400 unterschiedlichen Ausbildungsberufen und vollzeitschulischen Bildungsgängen angemessen berücksichtigen.
  • Die Lehrerinnen und Lehrer der Berufskollegs benötigen eine umfassende Qualifizierung, eine geeignete Lehrumgebung sowie einen landesweiten Rechtsrahmen,
    z. B. beim Einsatz von digitalen Medien und bei der Arbeitszeit im digitalen Raum.

Diese Leitgedanken hat der vLw u. a. auf Delegiertentagen, landesweiten Arbeitstagungen und in anderen Verbandsgremien seit 2017 intensiv diskutiert und hinreichend konkretisiert.

Aus Sicht des vLw kann das Land angesichts der o. a. Vielfalt des Berufsbildungssystems nur Mindeststandards und rechtliche Rahmenbedingungen der Digitalstrategie für Berufskollegs zentral planen, vorgeben und immer wieder kritisch überprüfen. 

Die konkrete (Aus-)Gestaltung muss – wie nicht nur in der Pandemie erfolgreich bewiesen – größtenteils in den knapp 400 Berufskollegs vor Ort erfolgen, um die branchen-, berufs- und/oder regionalspezifischen Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen und so den künftigen Fachkräftebedarf zielorientiert zu sichern.

Forderungen zur Strategie für Berufskollegs 

Um auch dies zukünftig zu gewährleisten, muss die neue Landesregierung die seit 2017 mehrfach vom vLw erhobenen Forderungen  endlich umsetzen:

  • Ausreichende Zeitressourcen für die Lehrkräfte zur Entwicklung, Umsetzung und Evaluation von konkreten Lernsituationen mit digitalen Schlüsselqualifikationen und von Blended-Learning-Unterrichtsangeboten, z. B. durch eine zusätzliche Anrechnungsstunde für jede Lehrkraft und/oder die schrittweise Erhöhung der Lehrerausstattungsquote bis 2028 auf 110 % für jedes Berufskolleg.  
  • Mindeststandards für die EDV-Infrastruktur und  Unterstützungsstruktur an Berufskollegs, die für die kommunalen Schulträger – unabhängig von ihrer Finanzkraft –  u. a. die Grundlage für eine zeitnahe Gigabit-Anbindung, ein leistungsstarkes WLAN, praxistaugliche Endgeräte und den erforderlichen Support etc. bilden.
  • Bereitstellung von geeigneten Lernmanagement-systemen und Nutzungsfreigabe unerlässlicher, kommerzieller Standard- und Branchensoftware, wie z. B. Office 365 (IHKs nutzen sie künftig für Berufsabschlussprüfungen), MS Teams, Cisco Webex Meet, durch Abschluss von Rahmenvereinbarungen.  
  • Intensivere Vermittlung von digitalen Schlüsselqualifikationen in den drei Phasen der Lehrkräftebildung, z. B. durch eine engere Verzahnung von universitärer und Seminarausbildung mit der Fortbildung sowie eine Erweiterung der berufskollegspezifischen Fortbildung mit zahlreichen Anbietern. 
  • Umfangreichere Bereitstellung von digitalen Inhalten und Apps für den berufsbildenden Unterricht mit digitalen Medien, z. B. durch Vorarbeit von QUA-LiS und Kooperation mit Verlagen und anderen Anbietern, um Lehrkräfte besser zu unterstützen und Mehrfacharbeiten in den Berufskollegs zu vermeiden.
  • Praxistauglicherer Rechtsrahmen für alle Beteiligten (z. B. beim Einsatz von Lernmanagementsystemen, Software, Apps, digitalen Prüfungsformaten und digitalen Endgeräten). Hier sind u. a. eine Überarbeitung der VO DV I und DV II sowie der Abschluss weiterer Rahmendienstvereinbarungen erforderlich.

Entsprechend der Devise Vielfalt ist besser als Einfalt muss jetzt der Wettbewerb der Ideen in den 400 Berufskollegs gefördert werden und durch geeignete Rahmenbedingungen vom Land begleitet sowie unterstützt werden.

Diesen Prozess wird der vLw gerne in einem Masterplan Berufskollegs konkretisieren und dann mit vorantreiben.

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Hilmar von Zedlitz-Neukirch

Landesvorsitzender

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