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Wissenschafts- und Bildungspolitik in Bund und Ländern

ausgewählt und bearbeitet von Dr. Jan Broch, Schriftleitung

(1.) Jugendliche ohne Abschluss: Anteil stagniert laut Studie seit Jahren
Menschen ohne Abschluss landen häufig in prekären Beschäftigungsverhältnissen – und fehlen als Fachkraft. Besonders gefährdete Gruppen: Jungen, Ausländer, Förderschüler. Eine Studie zeigt, dass sich in dem Bereich zuletzt wenig getan hat.

Zehntausende Jugendliche beenden Jahr für Jahr ihre Schulzeit, ohne zumindest einen Hauptschulabschluss in der Tasche zu haben. Obwohl einige Bundesländer Fortschritte gemacht haben, stagniert der Anteil der Schulabgänger ohne Abschluss seit Jahren bei etwa sechs Prozent. Das geht aus einer Studie des Bildungsforschers Klaus Klemm im Auftrag der Bertelsmann Stiftung hervor. „Unsere Gesellschaft kann es sich angesichts des wachsenden Fachkräftemangels nicht leisten, diese Personen durchs Raster fallen zu lassen“, wird Klemm von der Stiftung zitiert.

Der Bildungsforscher machte einen Zehn-Jahres-Vergleich von 2011 bis 2021 – neuere Daten lagen demnach nicht vor, als die Studie erstellt wurde. 2021 standen rund 47 500 Schülerinnen und Schüler am Ende ohne Hauptschulabschluss da, das entspricht einem Anteil von 6,2 Prozent. 2011 waren es 6,1 Prozent gewesen. Bis 2013 sank die Quote auf 5,7 Prozent, seitdem stieg sie wieder an – bis auf einen „Knick“ im Jahr 2020, der laut der Studie einem „zurückhaltenden Umgang mit Schulleistungen“ während der belastenden Pandemie geschuldet ist.

Jungen und Heranwachsende mit ausländischer Staatsangehörigkeit sind demnach besonders gefährdet. Laut der Studie machten Mädchen Stand 2020 nur 38 Prozent der Jugendlichen ohne Abschluss aus. In der Gruppe der Ausländer lag die Quote der Abgänger ohne Abschluss 2020 bei 13,4 Prozent, bei den Deutschen bei 4,6 Prozent. 49 Prozent aller Jugendlichen ohne Abschluss waren 2020 auf einer Förderschule, 20 Prozent auf einer Gesamtschule, 13 Prozent auf einer Hauptschule.

Einige Bundesländer konnten ihre vergleichsweise hohen Quoten im Untersuchungszeitraum nach unten drücken, etwa Mecklenburg-Vorpommern (von 13,3 auf 8,1 Prozent), Sachsen-Anhalt (von 12,1 auf 9,6 Prozent) und Berlin (von 9,7 auf 6,7 Prozent). In Bremen stieg sie dagegen an, dort war 2021 die Quote mit 10,0 Prozent am höchsten. In Baden-Württemberg (5,8 Prozent), Hessen (5,3) und Bayern (5,1) war der Anteil im Jahr 2021 am niedrigsten.

Menschen ohne Abschluss haben ein höheres Risiko, in prekären Beschäftigungsverhältnissen zu landen. Laut der Studie droht vielen der jetzigen Abgänger ohne Abschluss, als „Nachwuchs“ zu den rund 1,7 Millionen jungen Erwachsenen im Alter von 20 bis 30 ohne Ausbildung zu stoßen, die Stand 2021 in Deutschland lebten. Achim Dercks, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), sagte, dass viele Betriebe bei der Suche nach ihren künftigen Fachkräften immer mehr Bewerber mit fehlenden oder schlechten Schulabschlüssen einstellten. Allein im IHK-Bereich waren es 2020 demnach mehr als 8000 neue Azubis ohne Abschluss. „Aber die Betriebe können die Schule nicht ersetzen“, betonte er. Angesichts der „erschreckend hohen Zahlen“ seien Maßnahmen zum Abbau der Quote unverzichtbar, im Mittelpunkt der Anstrengungen sollten Jungen sowie Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund stehen, heißt es in der Studie. Die Bertelsmann Stiftung empfahl zudem, über das klassische Abschlusszeugnis hinaus zu dokumentieren, welche Kompetenzen die Jugendlichen erlernt haben: Das würde die Chance auf eine Ausbildung auch ohne formalen Abschluss erhöhen. Ein weiterer Hebel sei die Ausbildungsgarantie. Die Ampelparteien haben diese in ihrem Koalitionsvertrag verankert.

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger bezeichnete die Befunde der Studie als „dramatisch“. „Wir müssen stärker auf die einzelne Schülerin und den einzelnen Schüler schauen und Bildungschancen für alle Jugendlichen ermöglichen. Das Ziel muss eine individuelle Förderung und Begleitung sein, gerade sozial benachteiligter Kinder und
Jugendlicher“, sagte sie.
(dpa-Dossier Bildung, 10. März 2023)

(2.) NRW-Schulministerin: Keine „Deutschpflicht“ auf Schulhöfen
Eine „Deutschpflicht“ auf Schulhöfen wird es laut NRW-Schulministerin Dorothee Feller in Nordrhein-Westfalen nicht geben. „Eine Verpflichtung zur Nutzung der deutschen Sprache auf dem Schulgelände außerhalb der Unterrichtsstunden ist in Nordrhein-Westfalen nicht vorgesehen“, sagte die CDU-Politikerin in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der SPD-Opposition im Landtag.

Die SPD bezog sich mit der Anfrage auf einen Vorstoß von CDU-Generalsekretär Mario Czaja. Dieser hatte im Januar in einem „Welt“-Interview gesagt: „Es geht nicht, dass auf den Schulhöfen andere Sprachen als Deutsch gesprochen werden.“ Ansonsten entstünden in den Schulen Parallelgesellschaften. Er plädierte für Pflichtkurse für Kinder vor der Einschulung, sofern sie kein Deutsch sprechen.

Ministerin Feller erklärte den Ablauf in NRW so: Beherrscht ein Kind, das keine Kita besuchte, bei der Sprachstandfeststellung zwei Jahre vor der Einschulung die deutsche Sprache nicht hinreichend, solle es gemäß Schulgesetz NRW verpflichtet werden, an einem vorschulischen Sprachförderkurs teilzunehmen.

Feller hob die Bedeutung von Deutschkenntnissen als wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Bildungskarriere und aktive Teilhabe in der Gesellschaft hervor. „Zugleich ist Mehrsprachigkeit gelebte Realität vieler der nordrhein-westfälischen Schülerinnen und Schüler“, sagte die Ministerin. So gebe es in NRW herkunftssprachlichen Unterricht in rund 30 Sprachen. Neben der Beherrschung von Deutsch sei die Vielfalt von Sprachen in Gesellschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Bildung ein „wertvolles Kapital, das Menschen zusätzliche Chancen eröffnet“.
(dpa-Dossier Bildung, 24. Februar 2023)

(3.) Ausgaben für öffentliche Schulen stiegen 2021 um 500 Euro pro Schüler
Die öffentlichen Haushalte haben im Jahr 2021 durchschnittlich 9200 Euro für die Ausbildung einer Schülerin oder eines Schülers an einer öffentlichen Schule ausgegeben. Wie das Statistische Bundesamt nach vorläufigen Ergebnissen mitteilte, waren das rund 500 Euro beziehungsweise fünf Prozent mehr als im Jahr 2020.

Dabei gab es teilweise deutliche Unterschiede zwischen den Schularten. So beliefen sich die Pro-Kopf-Ausgaben an Grundschulen auf 8000 Euro und an Integrierten Gesamtschulen auf 10 900 Euro. An Gymnasien wurden durchschnittlich
10 200 Euro je Schülerin oder Schüler ausgegeben. An beruflichen Schulen hingegen wurden insgesamt 6400 Euro je Schülerin oder Schüler aufgewendet. Dies wurde insbesondere mit überwiegendem Teilzeitunterricht an den Berufsschulen innerhalb des dualen Ausbildungssystems erklärt.

Auch geografisch unterschieden sich die Ausgaben: Die höchsten Ausgaben je Schülerin und Schüler im Jahr 2021 hatten die Stadtstaaten mit durchschnittlich 12 400 Euro. Berlin kam dabei auf 13 300 Euro, Hamburg auf 11 700 Euro und Bremen auf 9600 Euro. In den Flächenländern variierten die Summen zwischen 8200 Euro in Mecklenburg-Vorpommern und 10 500 Euro in Bayern.

Die Ausgaben setzten sich vor allem aus Personalkosten zusammen, die sich auf 7000 Euro beliefen, sowie aus rund 1300 Euro für Ausgaben für den laufenden Sachaufwand. Rund 900 Euro entfielen auf Investitionsausgaben. Dabei seien im Vergleich zum Vorjahr die Ausgaben für den laufenden Sachaufwand um 15 Prozent und die Investitionsmittel um zehn Prozent überdurchschnittlich stark gestiegen. Die Personalausgaben erhöhten sich den Angaben zufolge im selben Zeitraum mit 200 Euro lediglich um drei Prozent.
(dpa-Dossier Bildung, 10. März 2023)

Rubrikbild: © Dagmar Ammann

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