Fachvortrag: „Existierst du nur oder partizipierst du schon?“

Nach dem Grußwort der Ministerin für Schule und Bildung in NRW, Frau Feller, folgte ein wissenschaftlicher Fachvortrag von Herrn Prof. Dr. Fereidooni von der Ruhr-Universität Bochum. 

Der etwa 60-minütige Vortrag trug den Titel „Existierst du nur oder partizipierst du schon?“ – Quantitativ-empirische Befunde zu Demokratie- und Partizipationseinstellungen von geflüchteten und nicht geflüchteten Schülerinnen und Schülern mit und ohne Migrationshintergrund in der vorberuflichen Bildung an Berufskollegs im Ruhrgebiet.

Im ersten Teil des Vortrags stellte Herr Prof. Fereidooni die Projekthintergründe und den theoretischen Rahmen dar. Er verdeutlichte die Problemstellung und definierte die Begriffe Demokratie, Demokratiemodelle, Bürgerleitbilder, politische Partizipation und politische Einstellungen. Bislang existiere keine kontrastive quantitative Forschung zu Demokratie- und Partizipationseinstellungen von geflüchteten und nicht geflüchteten Schülerinnen und Schülern an berufsbildenden Schulen.

Der zweite Teil des Vortrages beinhaltete Aspekte zum Forschungsvorgehen. In den Berufsfachschulklassen und in der Ausbildungsvorbereitung wurden insgesamt 434 ­Schülerinnen und Schüler von 6 Berufskollegs in 5 Städten des Ruhrgebiets mittels eines Papierfragebogens befragt. Es wurden drei Untersuchungsgruppen unterschieden, Gruppe 1 mit 89 geflüchteten Schülerinnen und Schülern, Gruppe 2 mit 235 nicht geflüchteten Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund und Gruppe 3 mit 110 nicht geflüchteten Schülerinnen und Schülern ohne Migrationshintergrund.

Im dritten Teil des Vortrags präsentierte Herr Prof. Fereidooni die Ergebnisse der Befragung und leitete Bedarfe und Ansätze für die Unterstützung von Lehrenden und Lernenden bei der Entwicklung und Vermittlung eines tragfähigen Demokratie- und Partizipationsverständnisses ab.

Folgende Ergebnisse seien auszugsweise genannt:

  • Geflüchteten Schülerinnen und Schülern kann nicht per se Demokratiefeindlichkeit vorgeworfen werden.
  • Geflüchtete Schülerinnen und Schüler haben ein hohes politisches Interesse, erleben jedoch häufiger als nicht geflüchtete Schülerinnen und Schüler spezifische Partizipationshürden.
  • Geflüchtete Schülerinnen und Schüler sind häufig von Diskriminierung betroffen und haben häufiger als die anderen Gruppen den Eindruck, dass Lehrkräfte ihnen gegenüber Vorurteile bzgl. ihres Demokratieverständnisses haben.
  • Insgesamt zeigt sich, dass Personen, die rassistische oder sexistische Diskriminierungserfahrungen machen, sich häufiger politisch engagieren, jedoch auch eine weniger positive Einstellung gegenüber der Verfassung und dem gesellschaftlichen Minderheitenschutz haben.
  • Der wichtigste Faktor für politisches Engagement ist die politische Selbstwirksamkeitserfahrung.

© Michael Holm

Im Folgenden werden einige Handlungsempfehlungen für die schulische politische Bildung aufgeführt:

  • Verschiedene Diskriminierungsstrukturen und Dimensionen sozialer Ungleichheit sollten im Unterricht thematisiert und gemeinsam mit der Klasse reflektiert werden.
  • Im Unterricht sollten verschiedene politische Partizipationsmöglichkeiten besprochen und die Schüler*innen zu schulpolitischer Beteiligung motiviert werden.
  • Schulische Unterstützungsangebote sollten transparenter und öffentlicher kommuniziert werden.
  • Lehrkräfte sollten darauf achten, ihre eigenen politischen Einstellungen und Parteipräferenzen nicht in den Unterricht einfließen zu lassen und verschiedene Meinungen von Schüler*innen zuzulassen, jedoch bei diskriminierenden Einstellungen und Sprachweisen
    erklärend zu intervenieren.
  • Mögliche Frustrationserfahrungen insbesondere im Hinblick auf gesellschaftliche Benachteiligung und verschiedene Formen von Diskriminierung sollten im Unterricht thematisiert werden.

Im Anschluss an den Vortrag eröffnete der Referent eine Frage- und Diskussionsrunde, die vom Publikum rege angenommen wurde.

© Michael Holm

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Christine Tharra

Stellv. Landesvorsitzende

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Dr. Jan Broch

Schriftleiter

„Die Kaufmännische Schule“

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