Handlungskonzept des MSB zur Unterrichtsversorgung – Zwischenstand, Einschätzungen und mögliche Konsequenzen

Im März hat das Schulministerium die Zahl der fehlenden Lehrerinnen und Lehrer über alle Schulformen mit 4.500 beziffert.

Zur Behebung dieses Lehrkräftemangels hat Schul- und Bildungsministerin Dorothee Feller am 14.12.2022 ein Handlungskonzept zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung mit kurz- und mittelfristigen Maßnahmen vorgestellt, das die drei Schwerpunkte Lehrerausbildung, Wertschätzung und dienstrechtliche Maßnahmen beinhaltet (vgl. www.schulministerium.nrw am 10.05.2023).

Die oberste Maxime muss bei allen Maßnahmen die Steigerung der Attraktivität des Berufs der Lehrkraft am Berufs-kolleg und somit die kurz- und mittelfristige Sicherung der Unterrichtsversorgung sein. Das Land kann es sich in der aktuellen Situation nicht leisten, dass weitere Lehrkräfte aus dem Beruf aussteigen und das Interesse an dem Beruf der Lehrerinnen und Lehrer am Berufskolleg weiter sinkt.

Zwischenstand zur Umsetzung der dienstrechtlichen Maßnahmen

Seit Mitte April werden die am 14.12.2022 vorgestellten dienstrechtlichen Maßnahmen von den Bezirksregierungen mit teils unterschiedlichen Ausprägungen umgesetzt. Dazu gehören u. a.:

  • kriterienorientierte Abordnung ohne Zustimmung der einzelnen Lehrkraft aus dienstlichen Gründen auch an andere Schulformen,
  • strengere Prüfung einer voraussetzungslosen Teilzeit (dies beinhaltet auch das sog. Sabbatjahr),
  • vorzeitiger Ruhestand (nach 63. Lebensjahr) erst zum Schuljahresende,
  • Rückkehr, z. B. aus Elternzeit, an Schulen bis zu 50 km Entfernung
  • und die Möglichkeit von bis zu 6 Stunden Zusatzunterricht für Referendarinnen und Referendare.

Im Rahmen der dienstrechtlichen Maßnahmen des Handlungskonzepts Unterrichtsversorgung können nach Einzelfallprüfungen für eine voraussetzungslose Teilzeit nun Prüfungen von Abordnungen folgen. Vorrang haben freiwillige Meldungen von Lehrkräften. Reichen diese nicht, werden Abordnungen von Lehrkräften aus dienstlichen Gründen angeordnet.

Der vLw begrüßt es, dass z. T. erst mal auf Freiwilligkeit und eine sorgfältige Einzelfallprüfung gesetzt wird. Der vLw empfiehlt den Lehrkräften, die z. B. eine Ablehnung ihres Antrags einer voraussetzungslosen Teilzeit oder eine Abordnung erhalten, sich an ihre zuständigen vLw-Bezirkspersonalratsmitglieder zu wenden.

Zu Ihrer Unterstützung können Sie gerne die Expertise und Kompetenz unserer vLw-Personalräte nutzen. Die Namen und Kontaktdaten der jeweiligen Vorsitzenden bzw. stellvertretenden Vorsitzenden entnehmen Sie bitte der unten stehenden Übersicht oder auch unserer Homepage, der vLw-App und anderen Verbandspublikationen.

 

 

Erste Einschätzung

Der vLw wiederholt seine Kritik an der Verschärfung der dienstrechtlichen Maßnahmen, die mittelfristig zu einer „Abstimmung mit den Füßen“ durch Kolleginnen und Kollegen, zu einer geringeren Attraktivität des Berufs sowie zu einer schlechteren Unterrichtsversorgung führen.

Allen Beteiligten ist klar, dass die angedachten dienstrechtlichen Maßnahmen wie Abordnungen, Ablehnung einer voraussetzungslosen Teilzeit und freiwillige Mehrarbeit von bis zu 6 Wochenstunden im Vorbereitungsdienst nur einen sehr geringen Beitrag zum Abbau des Lehrkräftemangels leisten werden und in keinem Verhältnis zu den negativen Konsequenzen stehen.

Der Blick zu den in die Zukunft gerichteten und um Fachkräfte werbenden Maßnahmen unserer dualen Partner kann hier sehr hilfreich sein.

So werben immer mehr Unternehmen mit attraktiven Teilzeitmodellen in allen Arbeitsphasen offensiv um künftige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sogar eine 4-Tage-Woche wird diskutiert und in manchen Branchen erfolgreich erprobt.

 

… und mögliche Konsequenzen

Was kann diese Entwicklung für Schule und unsere Berufskollegs bedeuten?

Einerseits müssen schnellstmöglich die mittelfristigen Maßnahmen des MSB-Handlungskonzepts zur Unterrichtsversorgung umgesetzt und erweitert werden.

Dabei lautet die oberste Forderung: Der Arbeitsplatz im Berufskolleg muss mittelfristig durch kleinere Klassen, eine spürbare Entlastung von Verwaltungsaufgaben, eine berufskollegspezifische Fortbildung mit entsprechender Entlastung sowie eine faire Bezahlung und mehr Beförderungsperspektiven attraktiver werden.

Darüber hinaus gehören zu den konkreten Maßnahmen im Bereich der Berufskollegs u. a.:

  • Öffnung des dualen (d. h. berufsbegleitenden) Masters für das BK-Lehramt für Bachelorabsolventinnen und -absolventen von Universitäten, auch für Mangelfakultäten wie Wirtschaftsinformatik,
  • Förderung zusätzlicher Studienplätze in kleinen Fachrichtungen an Universitäten und Technischen Hochschulen,
  • eine intensivere Bewerbung für das Lehramt an Berufskollegs, u. a. auf Internetseiten (wie z. B. https://www.lehrer-werden.nrw/chancen/berufskolleg) und
  • Gewährung finanzieller Anreize für die Einstellung in den (auch berufsbegleitenden) Vorbereitungsdienst in Mangelfächern.

Kurzfristig sollten die bestehenden Potenziale bei einer Konzentration auf unterrichtliche Schwerpunkte stärker genutzt werden. Diese kurzfristigen personalpolitischen Maßnahmen könnten u. a. umfassen:

  • Ausbau der Schulverwaltungsassistenz (auch in Laufbahngruppe 1.2) und der multiprofessionellen Teams ohne Anrechnung auf die schulische Personalausstattungsquote, d. h. mehr Zeit für die Kernaufgaben von Lehrkräften,
  • Flexibilisierung von Wochen- und Lebensarbeitszeit, d. h. Ausweitung der Teilzeitbeschäftigungsoptionen, um je nach Lebensphase Belastungen von Lehrkräften besser abzufedern und den Beruf der Lehrkraft attraktiver zu gestalten,
  • finanzielle Anreize, wie Stipendien für Studierende, Zulagen für Lehrkräfte mit Mangelfakultäten und Ver-besserung der Beförderungsmöglichkeiten (wie z. B. Anhebung der A15-Quote von 21 % auf 30 %),
  • attraktivere Gestaltung von freiwilliger Mehrarbeit (wie z. B. in Sachsen-Anhalt) durch eine Bezahlung ab der ersten Stunde und Erhöhung der Mehrarbeitsvergütungen,
  • Ersatz von Fachberaterinnen und Fachberatern in den Bezirksregierungen und anderen Schulverwaltungen insbesondere bei administrativen Tätigkeiten durch kostengünstigere Verwaltungsangestellte.

Dies sind konkrete und nur ausgewählte Impulse, die mit den an Schule Beteiligten diskutiert und kritisch bewertet werden müssen.

Der vLw hat in ersten, dem MSB-Handlungskonzept vorausgegangenen Verbändegesprächen ein gutes Signal zu einer vertrauensvollen und konstruktiven Partizipation gesehen. Aber hier sieht der vLw noch ein erhebliches Optimierungspotenzial.

Deswegen sollte dieser Weg vor der Gestaltung eines zweiten Handlungskonzepts aufgrund vieler Besonderheiten gerade im Berufskolleg auch schulformbezogen rechtzeitig gemeinsam mit den Lehrerverbänden und dem Ministerium initiiert und ausgebaut werden.

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Hilmar von Zedlitz-Neukirch

Landesvorsitzender

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