Plötzlich hilflos! Kann ich vorsorgen? – Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung

Die Vorstellung der eigenen Hilflosigkeit möchte man sich nur äußerst ungern ausmalen – nicht in jungen Jahren und fast noch weniger im fortgeschrittenen Alter. Und doch kann sich für jede und jeden von uns das Leben drastisch verändern: Ein Unfall, eine plötzliche Erkrankung oder auch ein schleichender Prozess können dazu führen, dass wir nicht mehr in der Lage sind, unser Leben in Teilen oder vollständig selbst zu regeln. Die weitverbreitete Vorstellung, dass dann Entscheidungen ganz automatisch von engen Angehörigen getroffen werden dürfen, ist falsch. Grundsätzlich gilt, dass nur Personen mit Vollmacht und/oder Personen, denen eine Betreuung gerichtlich übertragen wurde, innerhalb ihres Aufgabenkreises im Namen der hilflosen Person tätig werden können. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird es ab 01.01.2023 geben: Zu dem Zeitpunkt wird eine Neuregelung in Kraft treten, das sogenannte Notvertretungsrecht für Ehegatten. Dies ist ein gegenseitiges Vertretungsrecht, das sehr eng begrenzt ist und nur in gesundheitlichen Angelegen gilt (gegenüber Ärzten, Krankenhaus, Krankenversicherung oder einer Reha-Einrichtung). Das Notvertretungsrecht gilt maximal 6 Monate und wird dann bei Bedarf durch eine gerichtlich bestellte Betreuung ersetzt. 

Der Gesetzgeber hat die gerichtlich bestellte Betreuung für solche Menschen vorgesehen, die aufgrund einer psychischen Erkrankung oder einer geistigen, seelischen oder körperlichen Beeinträchtigung ihre Angelegenheiten nicht mehr selbstständig erledigen können und für die eine Betreuung erforderlich ist. Dabei geht es zum Beispiel um die Aufgabenbereiche Vermögensfürsorge, Gesundheitsfürsorge, Wohnungsangelegenheiten, Aufenthaltsbestimmungsrecht, Behördenangelegenheiten. Den Antrag auf Bestellung einer Betreuung kann die oder der Betroffene selbst stellen. Es können sich aber auch andere, z. B. Familienmitglieder, Nachbarn, Bekannte oder das Krankenhaus, an das Betreuungs­gericht wenden. Das Gericht prüft die Erforderlichkeit einer Betreuung und bestellt ggf. eine Betreuerin bzw. einen Betreuer. Bereits heute sollen die Wünsche der bzw. des Betroffenen bei der Bestellung und auch der Wahrnehmung der Betreuung berücksichtigt werden. Die Reform des Betreuungsrechts stellt diese Wünsche ab 01.01.2023 noch stärker in den Fokus. Gleichwohl verbinden viele Menschen mit einer gerichtlich bestellten Betreuung sehr negative Erwartungen.

Tatsächlich kann die Betreuung durch vorausschauendes Handeln häufig verhindert oder schon im Vorfeld beeinflusst werden. Gibt es nämlich Menschen, die entsprechende Vollmachten besitzen, kann das Gericht feststellen, dass die Erforderlichkeit der Bestellung einer Betreuung nicht gegeben ist.

Die Vorsorgevollmacht

Die Erteilung einer Vollmacht, die für den oben geschilderten Fall gedacht ist, wird als Vorsorgevollmacht bezeichnet. Sie sollte unbedingt nur solchen Personen erteilt werden, zu denen der bzw. die Betroffene absolutes Vertrauen hat, da die bevollmächtigte Person letztlich selbst entscheiden kann, wann, unter welchen Umständen und in welcher Form sie von der Vollmacht Gebrauch macht.

Bei der Vollmachterteilung kann man sich auf klar definierte Aufgaben beschränken oder sogar eine Generalvollmacht vergeben. Aus Gründen der Nachweisbarkeit ist die Schriftform unverzichtbar und die bevollmächtigte Person sollte Zugriff auf das Original haben, um im Ernstfall schnell handeln zu können. 

Bei Vorliegen einer entsprechenden Vorsorgevollmacht entfällt das (zukünftige) Notvertretungsrecht der Ehegatten, da es dann nicht mehr erforderlich ist.

Für die Vorsorgevollmacht bietet das Bundesministerium der Justiz im Internet sehr gute Formulare an, die sowohl wesentliche Punkte beinhalten als auch Freiräume für Ergänzungen lassen. Innerhalb der Vorsorgevollmacht kann auch ein Hinweis enthalten sein, dass die bevollmächtigte Person bei entsprechendem Bedarf vom Gericht als Betreuerin bzw. Betreuer bestellt werden soll. Die gesamte Vollmacht und auch der Vermerk bezüglich der Übernahme einer Betreuung sollte unbedingt mit der bevollmächtigten Person besprochen und vereinbart werden, um spätere Probleme zu verhindern. Das Betreuungsgericht ist verpflichtet, diese Regelungen und Wünsche zu berücksichtigen.

Banken und Sparkassen akzeptieren meist nur solche Vollmachten, die auf den institutseigenen Vordrucken erteilt werden. Hier sollte man sich unbedingt vor Ort erkundigen.

Bei der Erteilung einer Generalvollmacht sollte die notarielle Beurkundung in Betracht gezogen werden. Sie ist nicht grundsätzlich notwendig, kann aber im Zweifel Unsicherheiten und Streitigkeiten über ihre Wirksamkeit verhindern. Streitigkeiten unter Angehörigen entstehen besonders dann, wenn Vermögenswerte ins Spiel kommen.

Wichtig: Für Grundstücksangelegenheiten (z. B. den Verkauf eines Hauses oder einer Wohnung) ist die notarielle Beurkundung der Vollmacht unabdingbar.

Die Betreuungsverfügung

Wer keine Vollmacht erteilen möchte (oder einfach keine geeignete Person in seinem Umfeld kennt), kann mithilfe einer Betreuungsverfügung vorsorgen. In einer Betreuungsverfügung können Personen benannt werden, die als Betreuerin bzw. als Betreuer vorgeschlagen werden. Es können aber auch solche Personen benannt werden, die keinesfalls im Rahmen einer Betreuung tätig werden sollen. 

Außerdem können eigene Wünsche an eine Betreuung festgelegt werden, z. B. die Erhaltung bestimmter Lebens- oder Ernährungsgewohnheiten, Körperpflege, Kon­takte.

Zentrales Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer

Die Erteilung einer Vorsorgevollmacht und/oder eine Betreuungsverfügung sollten im Zentralen Vorsorgeregister registriert werden. Auf diese Weise wird verhindert, dass durch das Gericht eine Betreuung bestellt wird, die gar nicht nötig ist. Die Betreuungsgerichte informieren sich nämlich vor der Bestellung einer Betreuung beim Vorsorgeregister und nehmen Kontakt zu dort benannten Personen auf.
Die Aufnahme ins Vorsorgeregister kann online über vorsorgeregister.de beantragt werden. Ausgefüllte For­mulare können auch postalisch an 

Bundesnotarkammer
Zentrales Vorsorgeregister
Postfach 08 01 51
10001 Berlin

gesandt werden. Es fallen jeweils einmalig aufwandsbezogene Gebühren an. 

Weitere Informationen und Formulare

Zurzeit (Stand Sept. 2022) stellt das Bundesministerium der Justiz auf seiner Internetseite bmj.de unter dem Überpunkt Publikationen die Broschüre Betreuungsrecht zur Verfügung. Die Broschüre bietet sehr ausführliche (und verständliche) Informationen. Gleichzeitig enthält sie verschiedene rechtssichere Formulare, die sich sehr gut verwenden lassen. Die Broschüre kann als PDF-Datei heruntergeladen werden oder auch in Papierform bestellt werden. Es ist damit zu rechnen, dass in absehbarer Zeit aufgrund der Änderungen zum 01.01.2023 eine Überarbeitung erfolgen wird. 

Diese Zusammenstellung erfolgte nach bestem Wissen. Rechtsansprüche sind hieraus nicht abzuleiten.

Christiane Lechtermann

Mitglied im Arbeitskreis Ruhestand

Dieser Inhalt ist geschützt