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Vom Angestellten zum Tarifbeschäftigten –ein Rückblick auf die Entgeltentwicklung

„Angestellt“, „tarifbeschäftigt“, das ist doch das Gleiche, werden Sie vielleicht denken. Nur, dass der Begriff „tarifbeschäftigt“ ein wenig moderner, weniger angestaubt klingt. Ja, was die rechtliche Stellung betrifft, ist es vielleicht das Gleiche. Sowohl Angestellte als auch Tarifbeschäftigte sind eben nicht verbeamtet. Dasselbe ist es jedoch bei Weitem nicht. Die Einordnung von und der politische Umgang mit Angestellten bzw. Tarifbeschäftigten unterscheidet sich durchaus. Dazu lohnt ein Blick in die jüngere Geschichte.

Vor gut 60 Jahren wurde er eingeführt: der BAT (Bundesangestelltentarifvertrag). Er galt für alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, egal ob bei Kommune, Land oder Bund. Idee des BAT war, verbeamtete und angestellte Beschäftigte gleichermaßen zu würdigen. Es gab einen Manteltarifvertrag, in dem die Arbeitsbedingungen festgelegt wurden, und einen jährlich zu verhandelnden Entgelt-tarifvertrag, in dem Grundgehälter, Orts- bzw. Familienzuschläge und weitere mögliche Zulagen geregelt wurden. Die Bruttowerte in den Entgelttabellen lagen über den Werten der Besoldungstabellen, um die Zahlungen für Arbeitslosen- und Rentenversicherung auszugleichen.

Bereits zum 01.01.2002 wurde die Zusatzversorgung (VBL, verpflichtende Betriebsrente, zum Ausgleich der Differenz zwischen Pension und Rente gedacht) von der Orientierung an der Gesamtversorgung auf ein beitragsfinanziertes Punktemodell umgestellt.

Etwa zur gleichen Zeit hagelte es Kritik am BAT. Insbesondere die fehlende Berücksichtigung individueller Leistungen sowie ein durch Familienzuschläge gefördertes, überlebtes patriarchalisches Familienbild wurden dem BAT zur Last gelegt. Das war so weit nachvollziehbar.

Mit dem Ziel der Gleichstellung von Ledigen ohne Kinder und einer altersunabhängigen Berücksichtigung von Berufserfahrung wurden Angestellte des Bundes und der Kommunen zum 01.10.2005 in den TVöD und die Angestellten der Länder zum 01.11.2006 in den TV-L übergeleitet. Einige Kolleg*innen erinnern sich vielleicht noch, dass sie plötzlich nicht mehr L. i. A. waren, sondern den „Titel“ L. i. T. führten. Für zu diesem Zeitpunkt bereits Beschäftigte gab es einen sogenannten Überleitungsvertrag, um Besitzstände zu wahren und mögliche Schlechterstellungen zu vermeiden. Für neu eingestellte Tarifbeschäftigte galt ausschließlich der „neue“ Tarifvertrag.

Die folgenden wesentlichen Änderungen waren Bestandteil des TV-L:

  • Verkürzung der Stufenlaufzeiten bei überdurchschnittlicher Leistung
  • Variable leistungsorientierte Bezahlung (LoB), finanziert aus reduzierter Jahressonderzahlung und abschmelzenden „Besitzständen“
  • Einfließen des Ehegattenzuschlags in die Tabellenentgelte, Entfall weiterer Familienzuschläge (Kinder)
  • Abschmelzung bzw. Umschichtung von Lehrerzuschlägen (z. B. EG 13 Ü)
  • Entfall von Bewährungsaufstiegen
  • Krankengeldzuschuss (jetzt Differenz Bruttokrankengeld zu Nettoentgelt) bis zur 39. Woche

Seit der Einführung des TV-L gab es bis heute insgesamt acht Tarifverhandlungen mit dem grundsätzlichen Ziel, eine Einkommensverbesserung zu erzielen. Neben einer prozentualen Erhöhung der Tabellenwerte, die in der Regel beamtengleich übertragen wurde, gehören dazu auch andere Vereinbarungen, die die tatsächliche Erhöhung des Entgelts beeinflussen. Da die Arbeitgeber einen begrenzten Verhandlungsspielraum einbringen, kann es zu Verschiebungen in den einzelnen Bereichen kommen. Auf diese Weise können Verbesserungen, wie sie sich beispielsweise in der prozentualen Erhöhung von Tabellenwerten zeigen, durch Kürzungen bei anderen Vereinbarungen kompensiert werden.

Die Übersicht zeigt sowohl die positiven als auch negative Ergebnisse der Tarifabschlüsse:

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Nicht alles ist gut gelaufen. Die Übersicht verdeutlicht, dass eine prozentuale Erhöhung des Tabellen-Entgelts häufig mit Einbußen in anderen Bereichen „bezahlt“ wurde. Zugesagte zukünftige Entwicklungen werden immer wieder aufgeschoben, eine parallele Zuordnung der EG 9–11 zu den entsprechenden Besoldungsgruppen oder die versprochene Erhöhung der Stufen 6 fehlen weiterhin. So löst sich die im BAT entwickelte Idee zur Gleichbehandlung von verbeamteten und angestellten Beschäftigten nach und nach auf. Längst liegen auch nicht mehr alle Tabellenwerte in den Entgeltgruppen über denen in den Besoldungsgruppen. Ab EG 12 / A 12 sind in den unteren Stufen die Besoldungswerte auf der Überholspur.

Hatten wir nicht schon „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“ gefordert? Wo bleibt eigentlich die Fürsorgepflicht für Tarifbeschäftigte? – Nach den Tarifverhandlungen ist vor den Tarifverhandlungen. Es gibt noch viel zu tun, packen wir es an.

Arbeitsgruppe Tarif

im Ausschuss Dienst- und Tarifrecht

Foto: Bild: AdobeStock_32349971 @Stefan Merkle

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