Wissenschafts- und Bildungspolitik in Bund und Ländern

ausgewählt und bearbeitet von Dr. Jan Broch, Schriftleitung

(1.) Bericht: Mehr als 12 000 unbesetzte Lehrer­stellen in Deutschland

In Deutschland sind nach Angaben der Kultusministerien der Länder mehr als 12 000 Lehrerstellen unbesetzt. Das geht aus einer Umfrage des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) in den 16 Bundesländern hervor. Die Zahlen spiegeln nach Ansicht des Deutschen Lehrerverbands allerdings nicht die tatsächliche Lage wider und seien „geschönt“. 

Die Länder versuchen mit verschiedenen Maßnahmen, Arbeitskräfte zu gewinnen. Damit machten sie sich gegenseitig Konkurrenz, kritisierte der Vorsitzende des Bundestagsbildungsausschusses, Kai Gehring, und rief zu einem gemeinsamen Vorgehen auf: „Wir brauchen einen kooperativen Bildungsföderalismus statt Headhunting um die besten Lehrkräfte. Der Lehrkräftemangel lässt sich nur strukturell und in gemeinsamer Kraftanstrengung beheben“, sagte der Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Der im März geplante Bildungsgipfel könne ein Format dafür sein. „Bildungschancen, Teilhabe und Durchlässigkeit dürfen nicht vom Wohnort und von der Ellenbogenmentalität einzelner Ministerpräsidenten abhängen.“

Dem RND-Bericht zufolge sind deutschlandweit genau 12 341 Lehrerstellen unbesetzt. Aus dem Saarland, Rheinland-Pfalz, Brandenburg und Bayern wurden keine Lücken und aus Hessen sogar ein Überangebot gemeldet. Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen fehlen dagegen mehr als 8 000, in Schleswig-Holstein mehr als 200, in Sachsen-Anhalt und Berlin mehr als 800 und in Sachsen, Baden-Württemberg und Niedersachsen mehr als 400 Lehrkräfte. Insgesamt gibt es in Deutschland mehr als 800 000 Lehrerinnen und Lehrer.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, nannte die Zahlen der Kultusministerien „geschönt“. Seiner Einschätzung nach liegt die Zahl der unbesetzten Lehrerstellen in Deutschland zwischen 32 000 und 40 000. In vielen Bundesländern würden Stunden am Anfang des Schuljahres je nach Lehrermangel gestrichen, sodass der Bedarf nur auf dem Papier gedeckt sei. In manchen Ländern würden auch Eltern oder andere Nichtpädagogen als sogenannte Schulhelfer eingesetzt und in der Statistik als Lehrkräfte ver-
rechnet.

Die Bundesländer gehen nach Angaben ihrer Kultusministerien unterschiedliche Wege, um dem Lehrkräftemangel zu begegnen. So werden laut RND-Abfrage etwa pensionierte Lehrkräfte eingesetzt, Prämien gezahlt, damit Lehrer bleiben, anstatt in Rente zu gehen, oder Headhunter mit der Arbeitskräftesuche beauftragt. Zudem setzen Länder vermehrt auf Quer- und Seiteneinsteiger oder auch auf ein Freiwilliges Pädagogisches Jahr – ähnlich einem Freiwilligen Sozialen Jahr – an Schulen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hatte unlängst angekündigt, Lehrkräfte auch aus anderen Bundesländern anwerben zu wollen. Das sorgte wiederum außerhalb Bayerns für Unmut.

Der Lehrermangel ist momentan das brennendste Thema in der Bildungspolitik. Die Präsidentin der Kultusminister­konferenz (KMK), Astrid-Sabine Busse, geht davon aus, dass Deutschland noch zehn Jahre damit zu tun haben wird. Gehring forderte, damit alle Kinder in diesem Land beste Zukunftschancen bekämen, müsse bei der Bildung gesamtstaatlich enger zusammengewirkt werden. „Der Lehrkräftemangel droht sich zunehmend zur Bildungsbremse zu entwickeln. Er betrifft die ostdeutsche Dorfschule genauso wie das Gymnasium in der westdeutschen Großstadt, Grundschulen wie Berufsschulen.“
(dpa-Dossier Bildung, 27. Januar 2023)

(2.) Statistik: Wieder mehr Schülerinnen und ­Schüler wiederholen Klasse

Der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die eine Klasse wiederholen, ist in allen Bundesländern außer Bremen wieder gestiegen. „Nach veränderten Versetzungsregelungen im ersten Schuljahr nach Ausbruch der Coronapandemie haben im Schuljahr 2021/2022 wieder deutlich mehr Kinder und Jugendliche eine Klassenstufe wiederholt“, teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mit. 

Bundesweit hätten insgesamt rund 155 800 Schülerinnen und Schüler entweder freiwillig wiederholt oder seien nicht versetzt worden. Das waren 67 Prozent mehr als im Schuljahr 2020/2021 und 8 Prozent mehr als im Schuljahr 2019/2020. Laut den Angaben stieg die Quote der Sitzengebliebenen damit bundesweit von 1,4 Prozent im Schuljahr 2020/2021 auf 2,4 Prozent im vergangenen Schuljahr. Zum Vergleich: Im Schuljahr 2019/2020, als die coronabedingten Versetzungsregeln noch nicht zum Tragen gekommen waren, hatte die Quote bei 2,3 Prozent gelegen.

Im Zuge der Pandemie waren in vielen Bundesländern aufgrund von Unterrichtsausfällen oder Wechsel- und Distanzunterricht besondere Regeln in Hinblick auf die Versetzung eingeführt worden. „So wurde die Versetzung vielfach nicht mehr an die schulischen Leistungen geknüpft“, erklärten die Statistiker.

In nahezu allen Bundesländern nahm der Anteil der Wiederholerinnen und Wiederholer an der Schülerschaft im Vergleich zum Schuljahr 2020/2021 zu. Einzige Ausnahme war Bremen, wo die Quote von 1,7 Prozent auf 1,5 Prozent zurückging. Am höchsten war der Anteil mit 5 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern, wo 5 800 Kinder und Jugend­liche die Klasse oder Stufe wiederholten. Am niedrigsten fiel die Quote mit 1,2 Prozent in Berlin aus. Die Versetzung werde in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt, hieß es.

Mehr als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen (58 Prozent), die deutschlandweit im Schuljahr 2021/2022 die Klassenstufe wiederholten, war männlich. Entsprechend fällt auch die Quote je nach Geschlecht unterschiedlich aus: Zuletzt mussten 2,8 Prozent der Schüler eine Klasse oder Stufe wiederholen, bei den Schülerinnen betrug der Anteil 2,1 Prozent.
(dpa-Dossier Bildung, 3. Februar 2023)

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