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Wissenschafts- und Bildungspolitik in Bund und Ländern

ausgewählt und bearbeitet von Dr. Jan Broch, Schriftleitung

(1.) Aktionsrat Bildung: Bildungswesen muss krisenfest werden

Wie der Mensch Krisen widersteht, ist bislang nicht Gegenstand des deutschen Bildungswesens. In einer unsicheren Welt dürfe das nicht so bleiben, argumentiert der Aktionsrat Bildung. Deutschlands Bildungswesen vom Kindergarten bis zur Hochschule fehlt es nach Einschätzung des Aktionsrats an Krisenfestigkeit. In ihrem Jahresgutachten plädieren die Wissenschaftler dafür, sowohl die Institutionen des Bildungswesens als auch Lehrende und Lernende besser auf Krisen vorzubereiten. So fordert der Aktionsrat detaillierte Notfallpläne für Bildungseinrichtungen, eine bessere IT-Infrastruktur und eine größere Autonomie, damit diese im Zweifelsfall auch ohne Anweisung von oben handlungsfähig bleiben.

„Unsere Gesellschaft hat sich viel zu lange sicher gefühlt, dass Pandemien, Krieg, Angriffe auf Leib und Sicherheit niemals stattfinden würden“, erklärte Dieter Lenzen, ehemaliger Präsident der Universität Hamburg und Vorsitzender des Aktionsrats. „Das war ein gefährlicher Irrtum.“ Für ein zukunftsorientiertes Problem- und Risikomanagement sei eine „vorausschauende Vorsorge für zukünftig denkbare Konflikte und Krisen unabdingbar“, heißt es in dem Papier.

Mitglieder des Aktionsrats sind neben Lenzen acht Bildungsforscher verschiedener Universitäten und wissenschaftlicher Institute, finanziert wird das Gremium von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Die Wissenschaftler geben Handlungsempfehlungen auf drei Ebenen: nicht nur für die Bildungseinrichtungen und deren Organisation, sondern auch für das Personal sowie die lernenden Kinder, Jugendlichen und Studenten.

Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerschaft und wissenschaftliches Personal sollten nach Einschätzung des Aktionsrats besser auf seelisch belastende Situationen und „Stressoren“ vorbereitet werden, inklusive der Vorbeugung gegen Burnout. Gefördert werden sollten unter anderem „Enthusiasmus, Optimismus, Hoffnung, soziale und emotionale Kompetenzen“. Was die Kinder, Jugendlichen und die Studentenschaft betrifft, so plädieren die Wissenschaftler unter anderem für spezielle Trainings, um psychische Ressourcen wie Achtsamkeit, Motivation, Optimismus und Beharrlichkeit zu fördern. Der Wirtschaftsverband vbw als Auftraggeber will auch die Eltern einbeziehen: „Denn nur wer selbst widerstandsfähig ist, schafft es auch, Kindern diese Fähigkeit vorzuleben und zu vermitteln“, sagte vbw-Präsident Wolfram Hatz.

(Quelle: dpa-Dossier Bildung, 29. April 2022)

(2.) NRW: Etwas mehr junge Menschen verlassen die Schule ohne Abschluss

Erneut sind in Nordrhein-Westfalen mehrere tausend Menschen von der Schule abgegangen, ohne einen Abschluss in der Tasche zu haben. Am Ende des Schuljahres 2020/21 seien dies 4055 Menschen gewesen und damit knapp 300 mehr als ein Jahr zuvor, wie das Landesstatistik­amt in Düsseldorf mitteilte. Der Anteil der Schulabbrecher an allen Schulabgängern stieg von 2,1 auf 2,3 Prozent. Negativ-Spitzenreiter war Gelsenkirchen mit einem Anteil von 7,8 Prozent, auch in Herne war der Wert mit 5,9 Prozent sehr hoch. Im Kreis Olpe waren es hingegen nur 0,7 Prozent, so gering war der Anteil sonst nirgends in NRW.

(Quelle: dpa-Dossier Bildung, 29. April 2022)

(3.) Polizist/in mit Mittlerer Reife: 2500 Bewerber für Schulversuch

Fast 2500 junge Menschen haben sich in Nordrhein-Westfalen für den Einstieg in den Polizeiberuf mit Mittlerer Reife beworben. Das teilten das Innen- und das Schulministerium in Düsseldorf mit. Wegen der großen Resonanz, die die Erwartungen übertroffen habe, soll nun die Zahl der teilnehmenden Berufskollegs erweitert werden. Der entsprechende Schulversuch beginnt am 1. August.

„Das überwältigende Interesse zeigt, dass wir mit diesem neuen Bildungsgang an unseren Berufskollegs ein Erfolgsmodell auf den Weg gebracht haben“, so Schulministerin Gebauer. Die ersten rund 340 Schüler starten im August an elf Berufskollegs. „Die hohen Bewerberzahlen beweisen einmal mehr, wie ungeheuer beliebt der Polizeiberuf ist“, sagte Innenminister Reul. Die Landesregierung setzt mit der Einführung des Schulversuchs eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag um.

Der zweijährige Bildungsgang richtet sich an Absolventen, die einen mittleren Schulabschluss oder die Berechtigung zum Besuch der gymnasialen Oberstufe erreicht haben. Er eröffnet die Zugangsvoraussetzung für einen anschließenden Bachelorstudiengang an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW oder andere Fachhochschulen. Parallel zum Unterricht absolvieren die Schülerinnen und Schüler ein Praxisjahr bei der Polizei des Landes. Der neue Bildungsgang wird an Berufskollegs in Dortmund, Bochum, Bielefeld, Düsseldorf, Duisburg, Köln, Bonn, Düren, Münster, Recklinghausen und Gelsenkirchen angeboten.

Nach Ansicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) wird der Versuch die Polizei stärken. Der neue Fachoberschulabschluss ersetze nicht die anschließende Bachelor-Ausbildung für die künftigen Kommissare, er bereite darauf vor. „Das ist wichtig, denn eine Polizei light können wir nicht gebrauchen“, betonte GdP-Vize-Landeschef Michael Maatz.

(Quelle: dpa-Dossier Bildung, 22. April 2022)

(4.) Duales Studium in Deutschland beliebter – bleibt aber Nische

Immer mehr Menschen in Deutschland verbinden Studium und Berufsausbildung. Die Zahl der Teilnehmer am sogenannten dualen Studium hat sich laut einer Studie von 2004 bis 2019 vervierfacht. Dennoch bleibt diese Art der Vorbereitung auf das Berufsleben in Deutschland mit einem Anteil von 4,2 Prozent an allen Studierenden nur eine Nische. 

Das ist das Ergebnis einer Auswertung des Centrums für Hochschulentwicklung (CHW) und des Forschungsinstituts Betriebliche Bildung (f-bb) im Auftrag des Bundesbildungsministeriums. Demnach sind aktuell rund 122 000 Menschen in etwa 2000 dualen Studiengängen an deutschen Hochschulen eingeschrieben. Bei den Erstsemestern beträgt der Anteil 4,6 Prozent. 

Je nach Bundesland zeigen sich allerdings große Unterschiede. Ist in Bayern jeder fünfte Studiengang ein duales Angebot, gilt das in Bremen und Sachsen-Anhalt nur für jeden zwanzigsten. Im Saarland sind fast 30 Prozent aller Studierenden in einem dualen Studiengang eingeschrieben. Auch bei der Bezahlung gibt es je nach Bundesland große Schwankungen. Im Saarland zahlen die kooperierenden Unternehmen im Schnitt 627 Euro pro Monat, in Hessen sind es dagegen 1115 Euro.

Laut Studie geben die Unternehmen folgende Gründe für ihre Teilnahme an: Praxisnähe (78,7 Prozent), frühzeitige Bindung von Mitarbeitern (67,2) und Vorteil des Einarbeitens der Studierenden bereits vor dem Studienabschluss (65,6). Dabei kamen 2021 auf jeden dualen Studienplatz laut Studie zehn Bewerber. Die Fächergruppen mit dem größten Anteil an dualen Angeboten gibt es bundesweit in den Rechts- und Wirtschaftswissenschaften (18,1 Prozent), gefolgt von den Gesundheits- (16,3) und den Ingenieurwissenschaften (16,1).

(Quelle: dpa-Dossier Bildung, 22. April 2022) 

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