Bezirksgruppe Aachen

Etwas Bewährtes und etwas Neues

Anfang Mai wurden in der Bezirksgruppe Aachen von vLw und vlbs gemeinsam zwei Informationsveranstaltungen bzw. Fortbildungen angeboten. Den Startpunkt markierte unsere bewährte Informationsveranstaltung „Pension und Versorgung“.

Hardy Tresp (vLw) und Detlef Sarrazin (vlbs) informierten am 2. Mai am Berufskolleg Simmerath-Stolberg Kolleginnen und Kollegen über die Spannbreite zwischen der Höhe der Mindestversorgung, die in NRW aktuell nach 5 geleisteten Dienstjahren erworben wird, und der Maximalversorgung, die abgängig von den insgesamt geleisteten Dienstjahren ist.

Was sich zunächst eher trocken anhört, war eine spannende, informative und gut besuchte Veranstaltung der Verbände. Sollte sich jemand mit dem Gedanken tragen, früher als mit 67 den aktiven Dienst zu verlassen, so ist es für die eigene Lebensplanung sicherlich hilfreich, zu wissen, dass für jedes Jahr 3,6 % von der möglichen individuellen Maximalversorgung abgezogen werden. Maximal werden 14,4 % in Abschlag gebracht. Ebenso ist es wichtig, zu wissen, wie sich Teilzeit auf die Gesamtberechnung auswirken wird.

Ein wenig unruhig wurde es unter den Teilnehmenden, als darauf hingewiesen wurde, dass man zum Ende seiner Dienstzeit nur wenige Wochen Zeit hat, um dem LBV alle Unterlagen für die Berechnung bereitzustellen. D. h., man sollte dann genau wissen, in welchem Jahr man mit wie vielen Stunden Teilzeit in Anspruch genommen hat. Ebenso ist es für die Berechnung der Dienstjahre wichtig, mögliche Vordienstzeiten / ruhegehaltsfähige Zeiten im Vorfeld zu klären. Aus genau diesem Grunde ist diese Veranstaltung auch nicht unbedingt nur ein Termin für unsere älteren Kolleginnen und Kollegen, sondern ebenfalls für unsere jüngeren.

In ihrer sehr unterschiedlichen Art und Weise, Kolleginnen und Kollegen die Thematik zugänglich zu machen, schafften Hardy Tresp und Detlef Sarrazin eine lebendige Atmosphäre. Durch einen trocken humorvollen, bisweilen auch appellierenden Vortrag konnten viele Fragen aus dem Publikum geklärt werden.

Etwas Neues stellte die Veranstaltung „Emergency Circle“ am 4. Mai dar, zu der die Verbände in die Sporthalle des Nelly-Pütz-Berufskollegs in Düren eingeladen hatten.

Die Gewalt an Schulen in NRW hat zugenommen. Im Jahr 2022 gab es laut Polizei 193 Attacken mit Stichwaffen an unseren Schulen in NRW. Warum steigt die Jugendkriminalität, was sind mögliche Ursachen und welche Möglichkeiten haben wir, (präventiv) zu agieren?

Nahezu zeitgleich mit der Kriminalitätsstatistik veröffentlichte Anfang Mai das Ministerium für Schule und Bildung NRW in Kooperation mit der Unfallkasse eine Informationsbroschüre zur Krisenprävention. Diese beinhaltet Handlungsempfehlungen für die Schulen in NRW für unterschiedlichste Krisensituationen. In einem Vorwort von Gabriele Pappai, Geschäftsführerin der Unfallkasse NRW, heißt es: „…die herausfordernden Rahmenbedingungen Ihrer Arbeit und des gesamten Schulbetriebs unterstreichen im Besonderen, was für eine existenzielle Bedeutung Sicherheit und Gesundheit im Kontext von Schule zukommt, wie angreifbar sie sein kann und wie sehr wir alle darauf achten müssen, sie zu erhalten und zu fördern. (…) Sicherheit, Gesundheit und das Gefühl, gut aufgehoben zu sein, stärken die Aneignung von Kompetenzen und wirken sich förderlich auf Lehr-Lern-Prozesse aus. Krisen und Störungen hingegen belasten das Lernen und Arbeiten.“

In dem Kapitel Handlungsempfehlungen zu Krisenprävention in Schulen geht es um eine Vielzahl möglicher kleiner und großer Krisen. Es geht auch um die Belastungsreaktionen während oder nach einer Krise. Das Handbuch sagt an dieser Stelle ganz deutlich: „Es gibt keine richtigen oder falschen Reaktionen auf das unnormale Ereignis! Notfallsituationen können zum Verlust des inneren Gleichgewichts und zu starken emotionalen Reaktionen führen. Sie entstehen, wenn ein Mensch mit Ereignissen konfrontiert ist, die er aktuell nicht bewältigen kann, weil sie seine bislang erworbenen Fähigkeiten und erprobten Hilfsmittel weit überfordern.“

Und an diesem Punkt möchte ich zu unserer neuen Informationsveranstaltung überleiten. Der Emergency Circle folgt dem sogenannten O-R-A-Prinzip, Observation-Reaction-Action. Diesem Schema folgend wird in einem ersten Schritt unsere Aufmerksamkeit trainiert. Nicht nur schauen, sondern wahrnehmen, den eigenen Gefahrenradar trainieren, in einem zweiten Schritt folgt die Analyse der beobachteten Situation. Es findet eine Lagebeurteilung statt unter Berücksichtigung möglichst vieler Fakten. Dies funktioniert natürlich nur im Einklang mit unserer persönlichen Erfahrung und Qualifikation. Die Lagebeurteilung erfolgt in der Regel schnell. Am Ende folgt die Aktion, die auf der Gesamtbeurteilung beruht und – was wichtig ist – mit Konsequenz durchgezogen werden soll. Nehmen wir an, nach der Lagebeurteilung ist das Wegrennen und Um-Hilfe-Schreien unsere Entscheidung. Das müssen wir dann auch durchziehen. Auf halbem Wege stehen bleiben kann fatale Folgen haben.

Grundsätzlich liegt der Fokus dieser Trainingsroutine auf der Verbesserung der persönlichen (Verteidigungs-)Fähigkeiten, sowohl im präventiven als auch im aktiven Sinne. Bei den angebotenen Übungen geht es in erster Linie um eine Vermeidung von Gefahrensituationen durch rechtzeitige Wahrnehmung, souveränes Auftreten, aber auch die Verbesserung des selbstbewussten Auftretens. Dies hört sich jetzt zunächst einmal sehr akademisch an. Für das Probetraining am 4.05. konnten wir den ACDS-Trainer Stefan Heinen gewinnen, der zwei Co-Trainerinnen zur Unterstützung mitbrachte, beides Pädagoginnen.

Um die Ausführungen an einem Beispiel zu verdeutlichen: Wir stellen uns vor, zwei Schüler*innen streiten sich auf dem Schulhof. Die Aufsicht führende Lehrkraft entscheidet, die beiden zu trennen. Ist die Lehrkraft alleine und versucht, eine Person aus der Situation zu lösen, geht der andere Schüler, die andere Schülerin wahrscheinlich hinterher. D. h., die Situation bleibt weiter bestehen.

Wenn jetzt aber zwei Kolleg*innen Aufsicht führen, kann eine solche Situation so eingeübt werden, dass die Schüler*innen gleichzeitig auseinanderdividiert werden. Das klingt selbstverständlich, nahezu lächerlich einfach. Dennoch bedarf es einer vorher eingeübten Absprache unter den agierenden Lehrkräften. Es muss Klarheit darüber herrschen, wer die Entscheidung der Handlung trifft, welche Signale gegeben (und verstanden) werden. Verlässliches Teambuilding ist daher ein wichtiges Element des Emergency-Circles. Und auch wenn es merkwürdig klingt, ein lautes „Nein“ oder „Stopp“ klang während einer Partner*innenübung erst nach ein paar Versuchen der Teilnehmer*innen wirklich überzeugend.

Warum diese Übungen? Aus seiner Erfahrung als Polizist heraus erzählte Stefan Heinen von einer bedrohlichen Situation, während deren Hilfesuchende so erstarrt war, dass er nicht einmal mehr die 112 wählen konnte. Dies konnte im Nachgang der polizeilichen Untersuchung durch die Überprüfung des Handys ermittelt werden. Im Display war ein Zahlendreher, der sich immer wieder fortsetzte. Eine solche Erstarrung kann jeder von uns in einer Krisensituation
erleben. Durch entsprechende Wiederholungsübungen verschiedenster Situationen entwickelt sich mit der Zeit eine Art „Muscle Memory“, welche uns zumindest in Ansätzen rational agieren lässt.

Und hier komme ich zurück auf das zuvor erwähnte Handbuch zur Krisenprävention. Ich hoffe nicht, dass einer von uns in eine durch Gewalt definierte Krisensituation in der Schule oder auch im Privatleben gerät. Sollte dies dennoch der Fall sein, könnten unsere bisher erworbenen Fähigkeiten an Grenzen stoßen oder sogar überfordert werden. Aus diesem Grunde schauen wir natürlich auch als Lehrerverbände, wie wir Sie vor Ort unterstützen können. Und im Zweifel bietet sich da der Emergency-Circle an.

Keine Fortbildung ohne Feedback – insbesondere, wenn es sich um eine erstmals angebotene Veranstaltung handelt. Der Feedbackbogen der hauptsächlich beteiligten Schulen – das Berufskolleg Kaufmännische Schulen des Kreises Düren und das Nelly-Pütz-Berufskolleg in Düren – war so umfangreich, dass ich nur stichprobenhaft Aussagen wiedergeben möchte. Vielen Dank an dieser Stelle für die vielfältigen Angaben. Hilfreich fanden die teilnehmenden Lehrkräfte Erkenntnisse hinsichtlich der Körpersprache und des Auftretens in Konfliktsituationen, grundlegende Techniken der Deeskalation von Konfliktsituationen, der Anwendung einer klaren Sprache und die Erklärungen aus Polizeisicht bezüglich der Gefahr, die durch Messergewalt entsteht. Eine interessante Feedback-Aussage war, dass ein Kollege / eine Kollegin sich „positiv irritiert“ fühlte durch eine andere (polizeiliche) Sichtweise bzw. Sprache und Gedankenmuster.

Es wurde aber auch Kritik geübt am Fokus der zweiten Hälfte der Veranstaltung hinsichtlich der Gewaltabwehr. Hier wurde nach Einschätzung der Lehrkräfte die Schulwirklichkeit für uns nicht wirklich abgebildet. Aus dem Kreis heraus hätte man sich lieber mehr Ansätze zur Prävention bzw. Deeskalation gewünscht. Diese ganzen Ansätze und Einschätzungen nehmen wir natürlich mit in die Sommerpause und im Zweifel mit in eine weitere Veranstaltung.

 

  1. Messer-Attacken an NRW-Schulen: Land empfiehlt „Notfallordner“ (ruhr24.de).
  2. Krisenprävention – Handlungsempfehlungen für die Schulen in Nordrhein-Westfalen, MSB NRW und UK NRW, Januar 2023, S. 2.
  3. Ebd., S. 64 ff.
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Dagmar Ammann

Vorsitzende BG Aachen

 

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