AUS DEM LANDESVORSTAND

Option zum Distanzlernen in zwei Schritten ermöglichen.
Stellungnahme zur APO-BK

Der vLw begrüßt die Absicht der Landesregierung, dass den Berufskollegs durch eine Überarbeitung der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Berufskollegs (APO-BK) die Option eingeräumt wird, junge Menschen an unseren Berufskollegs durch digitalisierte Unterrichtsformate und Arbeitsumgebungen noch besser auf die digitale Arbeitswelt von morgen vorzubereiten und dafür auch die Verknüpfung von Präsenz- und Distanzformaten zu erlauben.

Um alle erforderlichen Personal- und Sachressourcen effizient zu bündeln und eine systematische Verknüpfung von Präsenz- und Distanzlernen im Berufskolleg zu fördern, hält der vLw jedoch ein zweistufiges Vorgehen unbedingt für erforderlich, in dem – in einer ersten Stufe ab dem 01.08.2024 – die 7. Änderungsverordnung die Option nur auf die Berufsschul- (Anlage A1) und Fachschulbildungsgänge (Anlage E) beschränkt.

Nur so ist es aus Sicht des vLw realistisch umsetzbar, dass bei der Entscheidung über die Verknüpfung von Präsenz- und zusätzlichem Distanzunterricht für ausgewählte Berufsschul- und/oder Fachschulbildungsgänge in einem Berufskolleg

  • die konkrete Kompetenzerweiterung bei den Lernenden, eine didaktische Notwendigkeit und die Zielgruppeneignung prioritär sind,
  • ein transparentes und rechtssicheres Verfahren zur Einführung von Blended-Learning-Formaten an dem einzelnen Berufskolleg sichergestellt wird,
  • die bundesweite Anerkennung der nordrhein-westfälischen Schulabschlüsse in allen anderen Bundesländern auch weiterhin gegeben sein wird,
  • die IT-Ausstattung der jeweiligen Schülerinnen und Schüler bzw. Studierenden sowie der eingesetzten Lehrkräfte an allen Lern-/Lehrorten bereitsteht und
  • keine sachfremden Erwägungen, wie die Einsparung von Schulraum für Schulträger oder die Bildung größerer Lerngruppen, ausschlaggebend sind.

Im Einzelnen nimmt der vLw wie folgt Stellung:

  • Der vLw begrüßt es, dass die Schulkonferenz über die Verknüpfung von Präsenz- und Distanzunterricht entscheidet und dass das Schulprogramm dann ein bildungsgangübergreifend ausgerichtetes pädagogisch-organisatorisches Konzept zur Verknüpfung beider Unterrichtsformate enthalten muss.

Zusätzlich ist das Ziel des einzuführenden Distanzunterrichts in der Schule zu definieren:

  • Handelt es sich um ein pädagogisches Ziel (individuelle Förderung, sonderpädagogische Förderung, Erwerb von digitalen Schlüsselkompetenzen, Chancengerechtigkeit etc.) oder
  • ein organisatorisches Ziel (Sicherstellung der Beschulung, Einsparung von Unterrichtsräumen, Attraktivitätssteigerung der eigenen Schule, Sicherstellung der Vereinbarkeit von Schule, Arbeit, Ausbildung etc.)?

Dies impliziert, dass der Mehrwert des Distanzunterrichts für die jeweiligen Schülerinnen und Schüler, den Bildungsgang, die Schule und die Region im Mittelpunkt steht. Deswegen muss im Artikel 1.3 (hier § 2 Absatz 2) ein Hinweis auf eine konkrete, schulspezifische Zielorientierung durch die Schulkonferenz explizit erfolgen.

  • Im § 5 Absatz 6 wird ausgeführt, dass das bildungsgangübergreifende Konzept genehmigungspflichtig ist, das bildungsgangspezifische Konzept dagegen anzeigepflichtig. Der vLw hält die Stärkung der Schulkonferenz für wichtig, indem sie als oberstes Beschlussorgan über eine Verknüpfung von Präsenz- und Distanzunterricht in der jeweiligen Schule beschließt und so beide Konzepte nur anzeigepflichtig sind.
  • Der vLw begrüßt die Möglichkeit im neuen § 5 Absatz 6 (Anlage A), dass mind. 60 % des Berufsschulunterrichts in Präsenz angeboten werden müssen.
  • Gerade in Fächern mit 40 oder 80 Wochenstunden, wie z. B. beim Fach Englisch/Fremdsprachliche Kommunikation, befürchtet der vLw bei der Erteilung von max. 40 % Distanzunterricht einen enormen Mehraufwand für die Stundenplanerstellung. Durch den Zusatz „grundsätzlich“ könnten Freiräume für adäquate Über- oder Unterschreitungen geschaffen werden, ohne dass das Gesamtvolumen überschritten wird und um gleichzeitig eine Kontinuität im Stundenplan insbesondere im Teilzeitunterricht zu sichern.
  • Im neuen Absatz 12 des § 5 der Anlage A wird festgehalten, dass es auch betreute und durch Lehrkräfte vor- und nachbereitete andere Lernformen (Selbstlernphasen) geben kann. Angesichts möglicher synchroner und asynchroner Distanzlernphasen ist die Möglichkeit alt- bekannter Selbstlernphasen nicht zeitgemäß. Der vLw fordert, die Aussage zu Selbstlernphasen zu streichen. Asynchroner Distanzunterricht würde auch den Bedürfnissen der Studierenden gerechter werden.
  • In § 5 steht: sofern die personellen und sächlichen Voraussetzungen vorliegen. Der vLw weist eindringlich darauf hin, dass zur Schaffung der personellen Voraussetzungen ein konkretes Fortbildungskonzept vorliegen muss, und hält es für dringend erforderlich, dass die staatliche Lehrerfortbildung konkrete methodisch-didaktische Angebote für die Verknüpfung von Präsenz- und Distanzunterricht in ausreichender Menge bereitstellt. Des Weiteren muss im Vorfeld einer APO-BK-Änderung geklärt werden, dass auch bei der sächlichen Voraussetzung eine Chancengleichheit besteht. Hier liegt jetzt schon ein Gefälle z. B. zwischen städtischen und kreiseigenen Berufskollegs vor, das durch die Finanzkraft der Schulträger bestimmt wird. Der vLw mahnt nochmals landesweite Mindeststandards bezüglich Geräten, LAN/WLAN-Ausstattung der Lernenden und der IT-Infrastruktur der Berufskollegs an.
  • Aufgrund der eingangs beschriebenen Prioritätenbildung, Zielgruppeneignung und der Anerkennungsprobleme außerhalb von NRW auf die Bildungsgänge der Anlagen A.1 und E fordert der vLw die § 21 (Anlage A), §§ 4 (Anlage B), §§ 4,10 (Anlage C) und §§ 4, 45 (Anlage D) in der 7. ÄVO nicht zu verändern. Distanzunterricht wurde in dem Schulversuch RBZB bewusst nur in den Anlagen A (Berufsschule) und E (Fachschule) ausprobiert. Der Selbstorganisationsgrad der Schüler/-innen ist auch hier sehr unterschiedlich ausgeprägt, aber Voraussetzung für einen funktionierenden Distanzunterricht. Der neuesten Untersuchung des IQB-Bildungstrends 2022 ist zu entnehmen, dass die Deutschkenntnisse (hier besonders die Lesekompetenz) der Schülerinnen und Schüler weiter signifikant abgenommen haben. Dies wird u. a. auf die Distanzunterrichtszeiten in der Corona-Pandemie zurückgeführt. Diese Schülerinnen und Schüler wachsen jetzt in die Berufskollegs hinein. Damit fehle vielfach die Voraussetzung für selbstorganisiertes Lernen sowie für den Erwerb weiterer sozialer und individueller Kompetenzen. Selbst die Option wird durch eine zeitnahe Umsetzung insbesondere in den Anlagen AV, B, C und D zu weiteren fachlichen und persönlichen Qualitätsverlusten führen. Im Rahmen des Schulversuchs RBZB wurde bezüglich Logineo ergänzend zu den durch das Fraunhofer Institut ermittelten Entwicklungsbedarfen festgestellt, dass der Messenger (d. h. das Videokonferenzsystem) hochgradig störanfällig ist und einen verwaltungstechnisch nicht machbaren Aufwand darstellt. Das führt dazu, dass die Schulen vielfach andere Videokonferenzsysteme nutzen, die u. U. nicht datenschutzkonform sind oder keine Lernmanagementsysteme im klassischen Sinn. Schulübergreifender Distanzunterricht (und Kommunikation) kann durch unterschiedliche Lehr-/Lernmanagementsysteme erschwert werden, besonders beim Einsatz von Logineo NRW, das ausschließlich in der eigenen Schule genutzt werden kann. Hier wiederholt der vLw seine Forderung nach professionellen Lern- und Arbeitsplattformen.
    Der vLw lenkt auch nochmals den Blick auf die Ausstattung der Lehrkräfte, weil ein iPad kein adäquates Instrument ist, Distanzunterricht dauerhaft durchzuführen.

Gerade die bisherigen Schulversuche zum Blended Learning haben bewiesen, wie viel Innovationskraft die Berufskollegs haben.

Jetzt gilt es, diese wertvollen Erfahrungen und Erkenntnisse behutsam und strukturiert von den bisher knapp 30 beteiligten Berufskollegs auf alle 250 öffentlich-rechtlichen Berufskollegs landesweit zu übertragen.

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Hilmar von Zedlitz-Neukirch

Landesvorsitzender

Beatrix Heithorst

Vorsitzende Ausschuss
Schul- und Bildungspolitik

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