Teilzeit: Chance oder Falle?

BvLB-Seminar zur Teilzeitarbeit von Beamt:innen

Britta Bergmann, Sabine Peters-Klein, Katharina Kiefer, Jaqueline Weigelt, Grit Katzmann, Birgit Schlieper-Dembski, Bettina Gude, Dorothee Hartmann, Heike Haarhaus, Miriam Rothausen, Christina Müller, Monika Otten, Heike Brand (je von unten nach oben, von links nach rechts)

 

„Nehmen Sie keine Teilzeit!“ lautet der provokante Rat von Daniela Heid, Professorin an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl. Teilzeit: Chance oder Falle? 13 Teilnehmerinnen aus 8 Bundesländern haben das Seminar besucht und sich umfassend über das kontroverse Thema informiert. Sabine Peters-Klein, Bundesbeauftragte des BvLB, hatte zu der interessanten Veranstaltung nach Fulda eingeladen. Sie organisiert regelmäßig Veranstaltungen und Videokonferenzen zu aktuellen Fragen der Gleichstellungspolitik. Ein gewinnbringendes Angebot, sich bundesweit auszutauschen und zu vernetzen!

 

Teilzeitarbeit wird überwiegend von Frauen geleistet

Frau Professor Heid verdeutlichte in ihrem eloquenten Vortrag die Nachteile der Teilzeitarbeit, bei der die finanziellen Verluste häufig in keinem angemessenen Verhältnis zum erhofften Zuwachs an Zeit und Lebensqualität stehen. 84 % der Teilzeitbeschäftigten im öffentlichen Dienst sind Frauen, die in der Regel aus familiären Gründen ihre Arbeitszeit reduzieren. Da sie nach wie vor den Großteil der Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörige übernehmen, arbeiten sie insgesamt nicht weniger, zahlen für die unentgeltliche Sorgearbeit jedoch einen hohen Preis. Denn das Grundgehalt, der Familienzuschlag, alle Vergütungen und Zulagen einschließlich der vermögenswirksamen Leistungen werden anteilig zur reduzierten Arbeitszeit gekürzt. Das Ruhegehalt von Teilzeitbeschäftigten sei daher deutlich niedriger als das von Vollzeitkräften, warnte die Expertin für Beamtenrecht.

Hinweispflicht des Dienstherrn auf die Folgen der Teilzeitarbeit

Vielen Frauen sind diese Nachteile nicht bewusst. Umso wichtiger ist der Hinweis von Frau Professor Heid auf die Pflicht des Dienstherrn, die Antragsteller:innen über die Folgen von Teilzeitarbeit explizit zu informieren (§ 68 LBG NRW). Teilzeitarbeit darf sich nicht negativ auf die Einstellungschancen und das berufliche Fortkommen auswirken, es gilt ausschließlich das Leistungsprinzip. Gut zu wissen: Bei der Ablehnung eines Antrags auf Teilzeitarbeit hat der Personalrat ein Mitbestimmungsrecht (§ 72 Absatz 1 Satz 10 LPVG NRW).

Ideal der Vollzeitarbeit mit vollem persönlichen Einsatz

Dennoch ist Teilzeitarbeit mit einem Imageschaden verbunden, Teilzeitkräfte gelten als weniger leistungsbereit und ambitioniert. Das hat eine lange Tradition: Der Grundsatz der Hauptberuflichkeit gehört seit der Weimarer Reichsverfassung zu den hergebrachten Grundsätzen des Beamtentums, die in Artikel 33 Absatz 5 Grundgesetz kodifiziert sind. Stellenausschreibungen für Beamt:innen müssen daher als Vollzeitstellen ausgeschrieben werden. Beamt:innen haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen (§ 34 BeamtStG). Im Gegenzug muss der Dienstherr für das Wohl der Beamt:innen und ihrer Familien sorgen, zum Beispiel durch die amtsangemessene Alimentation (§ 45 BeamtStG). Erst seit der Dienstrechtsreform 1997 ist es überhaupt möglich, eine voraussetzungslose Teilzeit zu beantragen, eine unterhälftige Teilzeitbeschäftigung ist jedoch nicht zulässig.

Aufgrund des Lehrkräftemangels zählt jede Stunde

Das angebliche Teilzeitprivileg der Lehrkräfte steht aufgrund des akuten Lehrkräftemangels auf dem Prüfstand. Verschwiegen wird dabei, dass dieser Mangel seit mehr als 30 Jahren besteht, wie unter anderem das 1991 veröffentlichte Kienbaum-Gutachten belegt. Bundesweit sind knapp 14.500 Vollzeitstellen unbesetzt. Spitzenreiter ist Nordrhein-Westfalen mit 6.700 fehlenden Lehrkräften, räumte Frau Ministerin Feller ein. Vor diesem Hintergrund hat die Kultusministerkonferenz die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) aufgefordert, eine Stellungnahme zum Umgang mit dem akuten Lehrkräftemangel zu verfassen. Als erste Maßnahme empfiehlt die Kommission, das Potenzial qualifizierter Lehrkräfte auszuschöpfen, wie es beschönigend in der Stellungnahme heißt. De facto wird die voraussetzungslose Teilzeit infrage gestellt. Die Kommission rechnete öffentlichkeitswirksam vor, dass pro tausend Lehrkräfte 40 Vollzeitstellen gewonnen werden, wenn jede Teilzeitkraft eine Stunde mehr arbeiten würde. Der Empfehlung, die voraussetzungslose Teilzeit zu beschränken, folgten die Kultusministerien in seltener Einmütigkeit. Die Bezirksregierungen und Schulämter prüfen zurzeit intensiv, ob dienstliche Gründe der Genehmigung einer Teilzeit entgegen-stehen. Für die Ablehnung genügt der vage Hinweis auf die Vermeidung von Unterrichtsausfall.

Aufzeigen von Handlungsspielräumen und kreativen Lösungen

Sabine Peters-Klein ist es gelungen, Frau Professor Dr. Birgit Ziegler, Mitautorin der umstrittenen Stellungnahme zum Lehrkräftemangel, als Referentin zu gewinnen. Die Expertin für Berufspädagogik und Berufsbildungsforschung an der TU Darmstadt gab den Teilnehmerinnen einen detaillierten Einblick in die Arbeitsweise der Kommission. Intention der Stellungnahme sei es, Handlungsspielräume aufzuzeigen, die kurz- und mittelfristig genutzt werden können. Die ehrenamtlich arbeitende Kommission hat dazu innerhalb von wenigen Wochen die vorliegenden Forschungsergebnisse systematisch erfasst, bewertet und daraus Maßnahmen abgeleitet, die als Empfehlungen in einer Stellungnahme veröffentlicht wurden. Zu Jahresbeginn 2024 soll sie durch ein Gutachten zur Lehrkräftegewinnung und Lehrkräftequalifizierung ergänzt werden. Frau Professor Ziegler hob den Angebotscharakter der empfohlenen Maßnahmen hervor. Für eine missbräuchliche Verwendung durch die politischen Akteure sei die Kommission nicht verantwortlich, betonte die renommierte Bildungswissenschaftlerin.

Verordnete Rückkehr zur Vollzeit ist kontraproduktiv

Eine verordnete Rückkehr zur Vollzeitbeschäftigung ist kontraproduktiv und benachteiligt vor allem Frauen, darin sind sich die Teilnehmerinnen einig. Denn angesichts des Fachkräftemangels in Kitas und Pflegeeinrichtungen ist die verlässliche Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen nicht gewährleistet. Die Frage „Teilzeit: Chance oder Falle?“ stellt sich vielen Frauen nicht. Kitas stehen vor dem Kollaps, Pflegekräfte vor dem Burnout, und Lehrkräfte vor der Kündigung, weil sie ihre beruflichen und familiären Verpflichtungen nicht miteinander vereinbaren können.

Die Empfehlung, zunächst das Potenzial der Bestandslehrkräfte auszuschöpfen, dient als Rechtfertigung öffentlichkeitswirksamer Maßnahmen, die auf schnelle Erfolge setzen. Die sozialen Folgekosten bleiben unberück-sichtigt: sinkende Unterrichtsqualität, hohe Krankenstände der bis an die Grenzen belasteten Lehrkräfte, und als Konsequenz deren vorzeitiges Ausscheiden aus dem Beruf. Kein Wunder, dass der dringend benötigte Nachwuchs ausbleibt – ein Teufelskreis.

Dank an die Expertinnen – und an Sabine Peters-Klein

Die Teilnehmerinnen danken Frau Professor Dr. Daniela Heid und Frau Professor Dr. Birgit Ziegler für ihre informativen Vorträge, die gut strukturierten Präsentationen und die anregenden Diskussionen über strittige Fragen und Kritikpunkte. Sabine Peters-Klein hat das Seminar hervorragend vorbereitet, organisiert und moderiert: Herzlichen Dank auch dafür!

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist eine Herausforderung, trotz der vielen Teilzeitmodelle: Elternzeit, Teilzeit in der Elternzeit, Pflegezeit, Familienpflegezeit, Beurlaubungen aus familiären Gründen, Altersteilzeit oder voraussetzungslose Teilzeit: Mit Unterstützung der kompetenten Berater:innen der Verbände fällt es leichter, die richtige Entscheidung zu treffen. Verbandsmitglieder können sich individuell beraten lassen, was am besten zu ihrer Lebenssituation passt.

Bettina Gude, Heike Haarhaus, Dorothee Hartmann (vlbs) und Miriam Rothausen (vLw)

Dieser Inhalt ist geschützt