Wissenschafts- und Bildungspolitik in Bund und Ländern

ausgewählt und bearbeitet von Dr. Jan Broch, Schriftleitung

(1.) Umschulen und ausbilden statt kündigen
und suchen

Die deutsche Industrie steckt mitten in der digitalen Transformation. Siemens reagiert mit einer neuen Digitalisierungsakademie auf die sich verändernden Anforderungen an seine Mitarbeiter, wie der Konzern mitteilte. In der „SiTecSkills Academy“ sollen deutschlandweit 19 regionale Trainingszentren Kompetenzen für den „digitalen Wandel im Arbeitsumfeld“ schärfen. Damit will Siemens die „Beschäftigungsfähigkeit“ seiner Mitarbeiter sichern – also dafür sorgen, dass sie auch in Zukunft das können, was das Unternehmen braucht.

„Mit gezieltem Up- and Reskilling können wir sicherstellen, dass die Kompetenzen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stets auf dem neuesten Stand sind“, sagt Judith Wiese, die im Siemens-Vorstand unter anderem für Personalthemen und Nachhaltigkeit zuständig ist. Das sichere auch die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. „In passgenaue Fort- und Weiterbildung zu investieren, ist nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch aus Unternehmenssicht sinnvoller, da wir auf bereits bestehendem Knowhow unserer Mitarbeitenden aufsetzen können“, sagt Wiese. „Damit bieten wir einen Mehrwert für alle: die Menschen, das Unternehmen und unsere Gesellschaft.“

Die wirtschaftliche Rechnung dahinter ist eindeutig: Bei intensiven Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen rechnet man bei Siemens aus Erfahrungswerten mit durchschnittlichen Dimensionen von etwa 8000 Euro pro Jahr, um einen Mitarbeiter fortzubilden (Upskilling), beziehungsweise 30 000 Euro pro Jahr, um einen Mitarbeiter für ein anderes Tätigkeitsfeld umzuschulen (Reskilling). Das ist nicht billig, doch jemand Neuen einzustellen, kostet – inklusive der Kosten für Beratung, Einarbeitungszeit und ähnliches – grob 40 000 bis 50 000 Euro.

Und Mitarbeiter abzubauen, ist in der Regel noch teurer. Hier nennt Siemens zwar keine Zahlen. Aus Branchenkreisen sind aber Dimensionen um im Schnitt 100 000 Euro pro Mitarbeiter zu hören. Wer also einen Mitarbeiter mit nicht mehr gebrauchter Qualifikation umschult, statt ihn zu entlassen und einen neuen Mitarbeiter mit den gesuchten Qualifikationen einzustellen, spart sehr viel Geld.

Bei der IG Metall steht man dem Ansatz positiv gegenüber: Man begrüße „grundsätzlich jede Maßnahme, die der Qualifizierung der Menschen dient“, sagt der bei der Gewerkschaft für Siemens zuständige Hagen Reimer. Die Akademie sei mit ihrem flexiblen Fokus auf technische Inhalte ein guter Ansatz. „Alle Beschäftigten müssen die Möglichkeit haben, ihr Qualifikationsprofil fortlaufend und vorausschauend den Erfordernissen anzupassen“, sagt er.

„Wir haben Transformationszeiten, und die Anforderungen ändern sich“, erklärt Experte Enzo Weber, vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, IAB. Das Thema Weiterbildung habe an Bedeutung gewonnen, insbesondere in Betrieben, die in digitale Technologien investieren. Weiterbildung nutze dabei der ganzen Gesellschaft, betont Weber. „Das Arbeitslosigkeitsrisiko sinkt, Wertschöpfung und Steuereinnahmen steigen. Auch deswegen fördert der Staat ja Weiterbildungsmaßnahmen.“

Und natürlich spielt auch der Fachkräftemangel eine Rolle. „Die Knappheit am Arbeitsmarkt ist aktuell so groß wie seit Wirtschaftswunderzeiten nicht mehr – und das trotz der Energiekrise“, sagt Weber. Schon in der Corona-Krise seien weniger Leute entlassen worden als in der Zeit vor der Krise. „Die Firmen sehen: Wenn sie jemanden entlassen, dann bekommen sie die Stelle vielleicht nicht wieder besetzt.“ Auch das macht es sinnvoller, umzuschulen als neu zu besetzen.

Doch es gibt auch Hürden und Grenzen: „Nicht jeder kann beliebige Anforderungen erfüllen, und nicht jeder will in jedem Bereich tätig sein, nur weil es dort gerade Bedarf gibt“, sagt Weber. „Oft ist es daher sinnvoll, Tätigkeiten mit verwandten Kompetenzen zu suchen.“ Doch es gibt auch Ausnahmen, wie ein Beispiel von Siemens zeigt: In Regensburg, wo es bereits einen Vorläufer der aktuellen Initiative gab, hat diesen Sommer eine ehemalige Kantinenkraft ihre Umschulung beendet. Sie ist jetzt Mechatronikerin im Sondermaschinenbau.

(Quelle: dpa-Dossier Bildung 2. Dezember 2022)

(2.) Zahl ukrainischer Schüler knapp über 200 000

Mehr als 200 000 ukrainische Kinder und Jugendliche sind inzwischen an Schulen in Deutschland angemeldet. Die Kultusministerkonferenz (KMK) gab die aktuellsten Zahlen dazu bekannt. Demnach waren 200 944 Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine an den Schulen registriert. Die Zahl hatte sich nach einem starken Anstieg zum Beginn des neuen Schuljahrs zuletzt nur noch geringfügig erhöht und bewegte sich seit mehreren Wochen in kleinen Schritten auf die 200 000er Marke zu, die schließlich in der 46. Kalenderwoche vom 14. bis 20. November überschritten wurde.

Die Bundesländer melden die Daten wöchentlich an die KMK. Die meisten ukrainischen Schüler sind bisher in Nordrhein-Westfalen (38 145), Bayern (29 374) und Baden-Württemberg (28 301) untergekommen.

Insgesamt gibt es in Deutschland etwa elf Millionen Schülerinnen und Schüler. Der Zuwachs um rund 200 000 Schüler innerhalb weniger Monate stellt das durch Lehrkräftemangel belastete Schulsystem vor große Herausforderungen, wie Bildungsgewerkschaften und Lehrerverbände bereits Anfang Oktober bestätigt hatten.

(Quelle: dpa-Dossier Bildung 2. Dezember 2022)

(3.) Microsoft und Arbeitgeber weiten Digitalkompetenz-Initiative aus

Der Mangel an IT-Fachkräften ist ein großes Problem in der deutschen Wirtschaft. Digitalkompetenzen sind aber nicht nur bei den IT-Experten gefragt. Der Softwarekonzern Microsoft und die Arbeitgeber in Deutschland weiten ihre Initiative zur Vermittlung von Digitalkompetenzen erheblich aus. Das Fortbildungsangebot soll 250 000 Jugendliche erreichen und ihnen digitale Qualifikationen für den Berufsstart vermitteln, teilte Microsoft mit.

An dem Projekt ist auch die Bundesagentur für Arbeit beteiligt. Mit Hilfe von „Future Skills Boxen“, die Lehr- und Lernmaterialien enthalten, sollen die jungen Menschen die Fähigkeiten erwerben, die sie für ein erfolgreiches Berufsleben benötigen, erklärte Microsoft. „Gleichzeitig soll ein Beitrag geleistet werden, mehr Fachkräfte mit Digital-Expertise auszubilden, die die deutsche Wirtschaft dringend benötigt.“

Nach Angaben des Digitalverbands Bitkom stieg die Zahl der offenen Stellen für IT-Fachkräfte im vergangenen Jahr um knapp 43 Prozent auf 137 000. Damit sei die Lage am IT-Arbeitsmarkt noch angespannter als im Vor-Corona-Jahr 2019. Damals konnten 124 000 offene Stellen für IT-Expert­innen und -Experten nicht besetzt werden.

Im Rahmen der gemeinsamen „Future Skills“-Initiative von Microsoft, der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und dem Institut der deutschen Wirtschaft können alle Berufsberaterinnen der Bundesagentur für Arbeit nicht nur die „Future Skills Boxen“, sondern auch Fortbildungen erhalten. Dabei geht es um Themen wie künstliche Intelligenz oder Cybersicherheit.

Die „Future Skills Initiative“ wurde 2019 gestartet, aber während der Corona-Pandemie wieder ausgebremst. Bislang wurden erst 500 Boxen versendet. Nach Angaben von Microsoft wurden damit bislang mehr als 600 Lehrkräfte und 15 000 Jugendliche erreicht. Nun werde die Initiative fortgesetzt und ausgebaut. Dabei sollen auch „Jugendliche mit schwierigen Startbedingungen“ mit der neuen Box angesprochen werden.

(Quelle: dpa-Dossier Bildung 2. Dezember 2022)

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